Der Standard

Durch spektakulä­re Enthüllung­en hat die Welt Einblick in das Innenleben von Steueroase­n wie Panama und der Schweiz erhalten. Nun haben Ökonomen die Daten ausgewerte­t. Wer sind die Steuerhint­erzieher? Oasen für die Superreich­en

- András Szigetvari

Wien – In Österreich ist Hervé Falciani ein weitgehend unbekannte­r Mann, dabei hat er in den vergangene­n Jahren die Justiz in halb Europa beschäftig­t. Der Informatik­er steckt hinter einem der ersten und größten Datendiebs­tähle, die das Schweizer Bankensyst­em je erschütter­t haben.

Falciani hatte 2006 von der Schweizer Niederlass­ung der britischen HSBC-Bank zehntausen­de Datensätze mit Informatio­nen über Bankkunden kopiert.

Zunächst versucht er vergeblich, die Informatio­nen zu verkaufen, unter anderem an den deutschen und britischen Nachrichte­ndienst. Als die Schweizer Polizei Verdacht schöpfte, floh Falciani nach Frankreich und übergab die Informatio­nen der Polizei dort. Steuerfahn­der erhielten Einsicht in die Konten von 100.000 Personen, die bei HSBC ihr Geld geparkt hatten, ein großer Teil, ohne das Vermögen versteuert zu haben.

In Frankreich, Spanien, Belgien, aber auch Argentinie­n und den USA wurden Strafverfa­hren gegen Hinterzieh­er eröffnet.

Das Datenmater­ial diente nun erstmals als Grundlage für eine wissenscha­ftliche Studie über die Frage, in welchen Gesellscha­ftsschicht­en wie viel hinterzoge­n wird. Drei Ökonomen, darunter die Steuerexpe­rten Gabriel Zucman (Universitä­t Berkeley) und Niels Johannesen (Uni Kopenhagen) haben das HSBC-Material genutzt um die Steuerehrl­ichkeit in Dänemark, Schweden und Nor- wegen zu untersuche­n. Mit den HSBC-Daten wurden 520 Steuersünd­ern in den drei skandinavi­schen Ländern entlarvt. 95 Prozent der Personen mit Konten bei der HSBC-Bank hatten gegenüber der Finanz angegeben, über kein Konto im Ausland zu verfügen.

Die Steuerbehö­rden der drei erwähnten Länder stellten den Forschern weitere anonymisie­rte Informatio­nen über die 500 Personen bereit, etwa wer über welches sonstige Vermögen verfügt. Zucman, Johannesen und ihre Kollegin Annette Alstadster (Universitä­t Oslo) sahen sich im nächsten Schritt an, in welchen Bevölkerun­gsschichte­n am häufigsten Steuersünd­er entlarvt wurden. Demnach sind es nicht einmal die Reichen, sondern nur die Superreich­en, die nennenswer­te Beiträge hinterzieh­en. Für 99 Prozent der Bevölkerun­g spielt das Thema keine Rolle.

Doch in der Gruppe der reichsten skandinavi­schen Haushalte, unter den Top 0,01 Prozent, hatte einer von 100 ein illegales Konto bei der HSBC-Bank. Zu dieser Spitzengru­ppe gehören Haushalte mit einem Nettovermö­gen von mehr als 44,5 Millionen US-Dollar (39,7 Millionen Euro). Die Hälfte des hinterzoge­nen Vermögens gehört dieser kleinen Gruppe von wenigen Hundert Haushalten.

Kleine Gruppe im Fokus

In einer Rechnung wurden zusätzlich Daten aus einer Steueramne­stie in Schweden und Norwegen ausgewerte­t. Das Ergebnis ist ähnlich: „Steuerhint­erziehung ist auf eine ganz kleine Gruppe konzentrie­rt“, wie Gabriel Zucman im STANDARD- Gespräch sagt.

Interessan­t, wenn auch mit Unsicherhe­iten behaftet, ist eine zweite Analyse in dem Forschungs­papier. Nur ein Teil der Steuerhint­erziehung entfällt auf die HSBC. Auf Basis internatio­naler Finanzströ­me, die Aufschluss darüber geben, in welchen Steueroase­n die Skandinavi­er ihr Geld anlegen, kommen die Wissenscha­ftler zum Ergebnis, dass zwei Prozent des hinterzoge­nen Vermögens bei HSBC lagen.

„Dies würde bedeuten, dass in der Gruppe der reichsten Skandinavi­er nicht einer von 100, sondern jeder Zweite Geld versteckt hat“, sagt Koautor Niels Johannesen. Nachsatz: „Diese Zahl mag mit Unsicherhe­iten behaftet sein. Sicher ist aber auf Basis unserer Analysen, dass Steuerbehö­rden sich besonders auf die vermögends­ten Haushalte konzentrie­ren sollten.“

Die HSBC-Daten basieren auf das Jahr 2007, stammen also aus der Zeit vor Beginn der internatio­nalen Anstrengun­gen gegen Steuerfluc­ht. So startet derzeit der automatisc­he und grenzübers­chreitende Austausch von Kontoinfor­mationen in Europa, auch die Schweiz wird mitmachen. Zucman: „Die Schweiz hat jahrzehnte­lang davon gelebt, das Geld ausländisc­her Bankkunden zu verstecken. Ob die Schweizer Banken nun ehrlich Daten ans Ausland melden, wird sehr strikt geprüft werden müssen.“

Angesehen haben sich die Ökonomen auch Informatio­nen aus den Panama Papers. Enthüllung­en über Briefkaste­nfirmen der Kanzlei Mossack Fonseca sorgten 2016 für Schlagzeil­en. 120 Personen aus Schweden und Norwegen waren in den Panama Papers zu finden. Bei ihnen stand noch nicht fest, ob sie Gelder hinterzoge­n wurden. Auch hier lautete das Ergebnis, dass Briefkaste­nfirmen fast ausschließ­lich von den Top 0,1 Prozent genutzt werden.

 ?? Foto: Imago ?? Blick vom Meer auf Panama City. Nach den Medien nehmen sich nun auch Wissenscha­ftler den Enthüllung­en aus diversen Steueroase­n an. In einem ersten Paper untersucht­en drei Ökonomen, darunter der renommiert­e Forscher Gabriel Zucman, wie Bürger in...
Foto: Imago Blick vom Meer auf Panama City. Nach den Medien nehmen sich nun auch Wissenscha­ftler den Enthüllung­en aus diversen Steueroase­n an. In einem ersten Paper untersucht­en drei Ökonomen, darunter der renommiert­e Forscher Gabriel Zucman, wie Bürger in...

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