Was der Bauer erst kennenlernen musste
Labiches „Sparschwein“in Linz als Gesamtsieg von Regie, Ausstattung und Darstellern
Linz – Gerade das, was der Bauer nicht kennt, will er fressen. Man komme ihm nicht mit Rind und Lamm, mit Karotten und Tomaten! Champagner und Melonenscheiben sollen es sein, Austern mindestens. Aber: Was der der Scholle entrissene Stadtmensch für derlei zu zahlen bereit ist, das will dieser Bauer nach Genuss nicht löhnen. Dieses Restaurant, Betrug! Verbrecher!
Bauern kann man die Herren und Damen Rentiers, Apotheker und Großlandwirte nicht ganz nennen, die in Eugène Labiches Sparschwein den Weg aus der französischen Provinz in die Metropole Paris finden. Die wöchentliche Kartenrunde hat das der Komödie ihren Titel gebende Porzellantier mit Spielabgaben (und Knöpfen) prall gefüllt, das will nun genossen werden.
Aber, mon dieu, die beiden Welten, die damit aufeinanderprallen, trennen Denkhorizonte! Die ländlichen Stützen der Gesellschaft sind in Paris belächelte Wilde.
Ungleich sind auch die eigentlichen Pläne der Tagesausflügler. Ein jeder ist mit seinem eigenen Ansinnen gekommen – und die Reise ihnen gerade recht, um auf Gemeinschaftskosten Einzelinteressen zu verfolgen. Das die Zuhausegebliebenen vor Mondänität erblassen lassen sollende Mahl ist nur der kleinste gemeinsame Nenner, während den einen eigentlich Zahnschmerz plagt und die ande- re ein Rendezvous, die Dritte hübsche Kleider will und der Vierte ein Weib zur ehelichen Vermehrung der Güter.
1864 entstanden, bildet die Komödie die französische Prosperität zur Mitte des vorvergangenen Jahrhunderts ab. Angelika Rieck kleidet sie in der Zeit gemäße Kostüme, Ausstatter Momme Röhrbein packt jene in den aufwendig staffierten Linzer Bühnenkasten; Liveklavierspieler Nebojša Krulanović inklusive.
Vom dick geschnitzten Holztisch im Salon des Rentiers Champbourcy (Sebastian Hufschmidt) geht’s per Drehungen in die von der Epoche neu errunge- ne Stahlglasarchitektur der Stadt und weiter in die nackten Wände einer Polizeiwache und ins Plüsch eines Kuppeleisalons. Denn der pikierte Kellner (Björn Büchner) kennt so wenig Pardon mit den Zechprellern wie die mit der Festhaltepraxis der Polizei.
Was der Bewegung der Drehbühne und der Komödie gleichermaßen eignet, ist: Sie führen im Kreis. Unverhoffte, aber erwartbare Aufeinandertreffen der Protagonisten sind die Folge. Mit Gaudium inszeniert Stefan Suschke das. Der Schmäh sitzt und schnurrt ab. Besonders nach der Pause der Zweidreiviertelstunden. Da nimmt die Verstrickung zu und das Spiel rasante Fahrt auf.
Unheimlich gut stehen auch dem übrigen Ensemble der Text und die Figuren: Katharina Hofmann ist eine resolute Liebessehnende, Corinna Mühle eine dem Shoppingrausch verfallende Tochter, Vasilij Sotke „baucht“zur hellsten Freude. Clemens Berndorff führt als leichtlebiger Sohn seinen Vater Horst hinters Licht, Stefan Matousch als effeminierter Kuppler (nicht gar so) Fremde zusammen. Alexander Julian Meile ist sein nicht minder animierter Diener, Julian Siegl ein zuletzt gefesselter Wachebeamter.
Diese Mechanik muss bei einer so aufs Vordergründigste (Wortwitz, Gehabe, Slapstick) reduzierten Dramaturgie umso mehr ineinandergreifen. Das gelingt vortrefflich. Sehr verdienter, langer Applaus. Vorerst bis 6. 7.