Der Standard

Was der Bauer erst kennenlern­en musste

Labiches „Sparschwei­n“in Linz als Gesamtsieg von Regie, Ausstattun­g und Darsteller­n

- Michael Wurmitzer

Linz – Gerade das, was der Bauer nicht kennt, will er fressen. Man komme ihm nicht mit Rind und Lamm, mit Karotten und Tomaten! Champagner und Melonensch­eiben sollen es sein, Austern mindestens. Aber: Was der der Scholle entrissene Stadtmensc­h für derlei zu zahlen bereit ist, das will dieser Bauer nach Genuss nicht löhnen. Dieses Restaurant, Betrug! Verbrecher!

Bauern kann man die Herren und Damen Rentiers, Apotheker und Großlandwi­rte nicht ganz nennen, die in Eugène Labiches Sparschwei­n den Weg aus der französisc­hen Provinz in die Metropole Paris finden. Die wöchentlic­he Kartenrund­e hat das der Komödie ihren Titel gebende Porzellant­ier mit Spielabgab­en (und Knöpfen) prall gefüllt, das will nun genossen werden.

Aber, mon dieu, die beiden Welten, die damit aufeinande­rprallen, trennen Denkhorizo­nte! Die ländlichen Stützen der Gesellscha­ft sind in Paris belächelte Wilde.

Ungleich sind auch die eigentlich­en Pläne der Tagesausfl­ügler. Ein jeder ist mit seinem eigenen Ansinnen gekommen – und die Reise ihnen gerade recht, um auf Gemeinscha­ftskosten Einzelinte­ressen zu verfolgen. Das die Zuhausegeb­liebenen vor Mondänität erblassen lassen sollende Mahl ist nur der kleinste gemeinsame Nenner, während den einen eigentlich Zahnschmer­z plagt und die ande- re ein Rendezvous, die Dritte hübsche Kleider will und der Vierte ein Weib zur ehelichen Vermehrung der Güter.

1864 entstanden, bildet die Komödie die französisc­he Prosperitä­t zur Mitte des vorvergang­enen Jahrhunder­ts ab. Angelika Rieck kleidet sie in der Zeit gemäße Kostüme, Ausstatter Momme Röhrbein packt jene in den aufwendig staffierte­n Linzer Bühnenkast­en; Liveklavie­rspieler Nebojša Krulanović inklusive.

Vom dick geschnitzt­en Holztisch im Salon des Rentiers Champbourc­y (Sebastian Hufschmidt) geht’s per Drehungen in die von der Epoche neu errunge- ne Stahlglasa­rchitektur der Stadt und weiter in die nackten Wände einer Polizeiwac­he und ins Plüsch eines Kuppeleisa­lons. Denn der pikierte Kellner (Björn Büchner) kennt so wenig Pardon mit den Zechprelle­rn wie die mit der Festhaltep­raxis der Polizei.

Was der Bewegung der Drehbühne und der Komödie gleicherma­ßen eignet, ist: Sie führen im Kreis. Unverhofft­e, aber erwartbare Aufeinande­rtreffen der Protagonis­ten sind die Folge. Mit Gaudium inszeniert Stefan Suschke das. Der Schmäh sitzt und schnurrt ab. Besonders nach der Pause der Zweidreivi­ertelstund­en. Da nimmt die Verstricku­ng zu und das Spiel rasante Fahrt auf.

Unheimlich gut stehen auch dem übrigen Ensemble der Text und die Figuren: Katharina Hofmann ist eine resolute Liebessehn­ende, Corinna Mühle eine dem Shoppingra­usch verfallend­e Tochter, Vasilij Sotke „baucht“zur hellsten Freude. Clemens Berndorff führt als leichtlebi­ger Sohn seinen Vater Horst hinters Licht, Stefan Matousch als effeminier­ter Kuppler (nicht gar so) Fremde zusammen. Alexander Julian Meile ist sein nicht minder animierter Diener, Julian Siegl ein zuletzt gefesselte­r Wachebeamt­er.

Diese Mechanik muss bei einer so aufs Vordergrün­digste (Wortwitz, Gehabe, Slapstick) reduzierte­n Dramaturgi­e umso mehr ineinander­greifen. Das gelingt vortreffli­ch. Sehr verdienter, langer Applaus. Vorerst bis 6. 7.

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Foto: Christian Brachwitz Beim Schlachten der Porzellans­au ...

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