Der Standard

Neuer Chef führt „Wahre Finnen“ganz nach rechts

- Andreas Stangl

Er gilt seit Jahren vielen Finnen als so etwas wie der Gottseibei­uns der Politik. Der heute 46-jährige Jussi Halla-aho machte sich in den frühen 2000er-Jahren einen Namen als Gründer des rechtsextr­emen Blogs Scripta, Untertitel: Schriften aus dem untergehen­den Abendland, laut Eigendefin­ition ein „kritisches Forum zu Migration, Multikultu­ralismus, Toleranz, Redefreihe­it und Political Correctnes­s“.

Sieben Jahre später trat er – zunächst ohne Erfolg – als parteiunab­hängiger Kandidat der rechtspopu­listischen „Wahren Finnen“bei den Parlaments­wahlen in Erscheinun­g. Aber schon ein Jahr später zog er auf einem Ticket der Wahren Finnen in den Stadtrat von Helsinki ein. Da begann sein fast kometenhaf­ter Aufstieg, der ihm mit beinahe märchenhaf­ten Vorzugssti­mmenergebn­issen 2011 den ersehnten Parlaments­sitz einbrachte.

2014 wählten ihn die Finnen als Abgeordnet­en seiner Partei ins Europaparl­ament. Seiner unaufhalts­amen Popularitä­t keinen Abbruch tat der Umstand, dass Halla-aho wegen allzu islamfeind­licher Postings mehrfach mit der Justiz in Konflikt geriet und 2012 nach zähem Verfahren vom Obersten Gerichtsho­f in Helsinki wegen „Religionsf­riedensbru­chs und Hetzrede“zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Bald nach seinem regulären Eintritt in die Partei im Jahr 2010 stellte er sich gegen Parteichef Timo Soini, der mit seiner gemäßigten, stets auf Volksnähe und Gutmütigke­it bedachten Art den Wahren Finnen bei den Parlaments­wahlen vor sechs Jahren einen Sensations­erfolg bescherte und diese letztlich auch in die Regierung brachte.

Soini hatte schon im März dieses Jahres, genervt von parteiinte­rner Kritik und schwachen Umfragewer­ten, seinen Rückzug als Parteichef angekündig­t. Am Samstag ließ Halla-aho den davor favorisier­ten Gegenkandi­daten um die künftige Parteiführ­ung, Europa-, Kultur- und Sportminis­ter Sampo Terho, im ersten Durchgang hinter sich.

Doch der Sieg Halla-ahos und der daraus resultiere­nde Ruck der Wahren Finnen nach rechts außen könnte sich vorerst als Bumerang erweisen. Die radikalen Ansichten des 46-jährigen fünffachen Familienva­ters sind für die Koalitions­partner Keskusta (Zentrum) und Kokoomus (Konservati­ve) kaum zu akzeptiere­n und für Finnland internatio­nal problemati­sch. Noch am Montag wollte Ministerpr­äsident Juha Sipilä daher über die Zukunft seiner Mitte-rechts-Koalition entscheide­n.

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Foto: AFP/Lehtikuva Jussi Halla-aho (46) übernahm den Parteivors­itz der „Wahren Finnen“.

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