Der Standard

Für österreich­ische Limiteds wird der Brexit zur Falle

Nach EU-Austritt sind heimische Firmen mit britischer Gesellscha­ftsform rechtlich nicht existent – Problem auch für Konsumente­n

- Eric Frey

London/Wien – Wenn Großbritan­nien 2019 aus der EU austritt, könnte dies sich für eine Gruppe deutscher und österreich­ischer Kleinunter­nehmen als Falle erweisen: jene Betriebe, die als Gesellscha­ftsform die britische Limited gewählt haben, meist um sich das Mindeststa­mmkapital einer GmbH zu ersparen. In einer Studie der London School of Economics (LSE) im Auftrag der EU-Kommission wird die Zahl solcher Limited auf 60.000 in Deutschlan­d und 3000 in Österreich geschätzt.

Im deutschen und österreich­ischen Recht werden Gesellscha­ften, die den Hauptsitz im Inland haben, aber nicht nach eigenem Recht gegründet wurden, „als nicht existent behandelt“, sagt Edmund Schuster, österreich­ischer Jurist bei der internatio­nalen Sozietät Baker McKenzie in London und Lektor an der LSE. Er war CoAutor der besagten Studie.

Dieser Zugang wurde vom Europäisch­en Gerichtsho­f in der Cen- tros-Entscheidu­ng 1999 zwar für gemeinscha­ftsrechtsw­idrig erklärt, wenn es eine Eintragung innerhalb der EU betraf. Doch sobald Großbritan­nien austritt, gelten die Drittstaat­regeln, und die Gesellscha­ft wäre als juristisch­e Person nicht mehr existent. Das könnte etwa eine kleine Tischlerei betreffen, die sich als Limited eingetrage­n hat. „Wenn es dann etwa zu einem Rechtsstre­it kommt, dann wird das Gericht sagen, es gibt euch gar nicht, ihr könnt nicht klagen und nicht geklagt werden“, sagt Schuster. Konsumente­n könnten dann nur Einzelpers­onen klagen und müssten bei mehreren Gesellscha­ftern oder Geschäftsf­ührern herausfind­en, wer für das Problem eigentlich verantwort­lich sei.

Viele solcher kleiner Limiteds sind sich der Folgen des Brexits gar nicht bewusst und würden daher auch keine Vorsorge treffen, warnt Schuster. Aber selbst wenn man das Problem kennt, ist Abhilfe zu schaffen nicht leicht, warnt der Anwalt. „Man muss sich ir- gendwo in Europa neu gründen, etwa als eine Limited in Irland oder Malta. Doch wenn man mehr als einen Schraubenz­ieher besitzt, ist das komplizier­t, weil man alle Wirtschaft­sgüter übertragen muss – oder auch langfristi­ge Bezugsvert­räge. Ohne aufwendige Rechtsbera­tung ist das nicht möglich.“

„Ein Dorn im Auge“

Eine andere Möglichkei­t wäre es, dass die EU mit den Briten im Brexit-Vertrag vereinbart, dass man gegenseiti­ge Gesellscha­ftsformen anerkennt. Dies sei etwa zwischen den USA und EU-Mitgliedss­taaten in Freundscha­ftsverträg­en vereinbart worden. Doch Schuster ist skeptisch, dass dies zwischen Brüssel und London gelingt. „Die Verwendung der Limited ist vielen europäisch­en Staaten aufgrund der niedrigere­n Mindestkap­italvorsch­riften ein Dorn im Auge“, sagt er.

Das gilt auch für Konzerne, die eine Limited gewählt haben, um etwa betrieblic­he Mitbestimm­ungsregeln oder gesetzlich­e Gender-Quoten zu umgehen. Auch hier sei es unwahrsche­inlich, dass die EU-Verhandler eine liberale Lösung akzeptiere­n.

Probleme erwarten auch Online-Casinos wiebwin, die etwa in Gibraltar eingetrage­n sind und ihre Dienste in der ganzen EU anbieten. „Die könnten einen anderen Standort in der EU benötigen“, sagt Schuster.

Für all jene Klein- und Mittelbetr­iebe oder Einzelunte­rnehmer, die die in Großbritan­nien direkt oder über eine Zweigniede­rlassung tätig sind, dürften der Brexit weniger traumatisc­h werden. Schließlic­h sind die Briten bekannt für ein unternehme­nsfreundli­ches und liberales Wirtschaft­srecht, das auch Firmen aus Drittstaat­en nicht benachteil­igt. Und dies dürfte sich in näherer Zukunft nicht ändern, sagt Schuster. „Britisches Recht ist oft deutlich liberaler als vom EU-Recht vorgegeben. Wenn etwa die Franzosen nicht mehr an die EU-Regeln gebunden wären, dann gäbe es viel mehr Grund zur Sorge.“

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Foto: AFP / Daniel Leal-Olivas So stellt der Graffitikü­nstler Bansky in London den Brexit dar.

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