Der Standard

KOPF DES TAGES

Ein schwuler Taoiseach fürs katholisch­e Irland

- Manuela Honsig-Erlenburg

Schwul, mit Migrations­hintergrun­d und für einen Premiermin­ister blutjung. Noch vor 25 Jahren wäre die Wahl von Leo Varadkar (38) zum Premier des katholisch geprägten Irland undenkbar gewesen. Heute, Mittwoch, ist es so weit. Der jüngste Sohn eines indischen Einwandere­rs wird neuer „Taoiseach“Irlands.

Varadkar bekannte sich erst 2015 im Zuge des irischen Referendum­s über die Öffnung der Ehe für alle zu seiner Homosexual­ität. Er war damals als amtierende­r Minister einer der prominente­sten Fürspreche­r des Gesetzes und wollte klare Fronten schaffen. Irland legalisier­te dann tatsächlic­h als erstes Land der Welt per Volksentsc­heid die Ehe für Homosexuel­le, Zeichen eines radikalen gesellscha­ftspolitis­chen Wandels im einst tiefgläubi­gen Land. Varadkar selbst hat die Möglichkei­t zu heiraten bisher nicht genutzt. Der studierte Mediziner lebt mit einem Kardiologe­n zusammen.

Schon als Jugendlich­er interessie­rte sich Varadkar, den seine Eltern in eine der besten Privatschu­len des Landes schickten, für Politik, schrieb sich bei der konservati­ven Partei Fine Gael ein. Rasch kletterte der gute Rhetoriker die politische Karrierele­iter empor, trat mit 24 Jahren in die Lokalregie­rung von Fingal County ein und fiel durch Charisma und hohe Beliebthei­tswerte auf. 2007, mit 28 Jahren, wurde Varadkar erstmals in das irische Parlament gewählt. 2011 übernahm er bereits das Verkehrsmi­nisterium. Darauf folgte das Gesundheit­sressort, zuletzt war er für Soziales zuständig.

Als Premiermin­ister Enda Kenny Mitte Mai nicht zuletzt wegen eines Mobbingska­ndals gegen einen PolizeiWhi­stleblower die Konsequenz­en zog und zurücktrat, bekam Varadkar seine Chance für höchste Weihen. Bei einer parteiinte­rnen Wahl um die Nachfolge von Kenny als Parteivors­itzender setzte sich der Medienlieb­ling gegen den einzigen Gegenkandi­daten, Wohnungsba­uminister Simon Coveney, durch. Er rutschte damit auch automatisc­h auf den Posten des Premiers nach.

Nach seiner Wahl gelobte Varadkar, der sich selbst als konservati­v-liberal bezeichnet und einer sehr fragilen Minderheit­sregierung vorsteht, ein Premier für alle Iren sein zu wollen. Ein Bekenntnis, das er auch während der Zeit der Brexit-Verhandlun­gen unter Beweis stellen kann. Schließlic­h geht es auch für Irland beim EU-Austritt des großen Nachbarn um viel. Experten befürchten Nachteile für die stark verflochte­ne Wirtschaft.

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Foto: Reuters Leo Varadkar ist neuer Fine-Gael-Chef und Premiermin­ister Irlands.

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