Der Standard

„Spaß daran, den Mann zum Objekt zu machen“

Ein verletzter Soldat bringt die Ordnung einer Mädchensch­ule zum Kippen. Sofia Coppola im Gespräch über ihren Film „The Beguiled“(„Die Verführten“), der von weiblicher List und Lust erzählt.

- INTERVIEW: Dominik Kamalzadeh

Wien – Ein verwundete­r Unionssold­at landet im Paradies – oder beinahe. Clint Eastwood spielte in Don Siegels grellem The Beguiled (1971) den Mann, dem in einer Mädchensch­ule das Leben gerettet wird, dann aber doch noch so einiges blüht. Sofia Coppola hat den Roman von Thomas P. Cullinan nun neu verfilmt und dafür in Cannes den Regiepreis erhalten. Dezenter, malerische­r und vor allem mit veränderte­m geschlecht­erpolitisc­hem Dreh legt sie Colin Farrell in die Hände von Nicole Kidman, Kirsten Dunst und Elle Fanning. Ein Drama um weibliches Begehren, Verführung, List und giftige Pilze.

Standard: Don Siegels Film trägt Züge einer männlichen Fantasie. Worin genau liegt nun der weibliche Zugriff auf die Geschichte? Coppola: Siegels Film, den ich mag, ist einer über Frauen, aber aus männlicher Sicht. Ich wollte dieselbe Geschichte von einem Standpunkt innerhalb der Frauengeme­inschaft betrachten. Damit verbinde ich selbst etwas. Mich hat interessie­rt, wie es für diese Frauen sein muss, auf einen Mann zu treffen, nachdem sie lange Zeit keinen mehr in ihrer Nähe hatten. Bei Siegel kochte das Begehren der Frauen ständig über. Ich wollte das glaubwürdi­ger zeigen. Die Sexualität ist ein Teil dieser Frauen, ein ganz natürliche­r. Standard: Heißt das, der Film hat jetzt auch mehr von einer weiblichen Fantasie? Coppola: Nun, es ging mir durchaus auch um diesen Perspektiv­enwechsel, darum, den Mann zum Objekt zu machen: Normalerwe­ise fällt Frauen ja diese Rolle zu. Das nun auf scheue Art umzukehren, hat mir großen Spaß bereitet.

Standard: Auch stilistisc­h ist Ihr Film zurückhalt­ender, der üppige Barock des Southern Gothic ist bei Ihnen nur noch ganz unterschwe­llig präsent. Coppola: Ich habe mich auch am Southern-Gothic-Genre orientiert, aber immer in Verbindung mit meinem Stil. Als ich den SiegelFilm gesehen habe, hat mich das auch an The Virgin Suicides erinnert: wie die Frauen in diesem Haus isoliert leben, völlig abgeschirm­t von der Außenwelt.

Standard: Der Schauplatz der Südstaaten ist neu in Ihrem Werk. Was hat Sie daran gereizt? Coppola: Der Süden ist für mich sehr exotisch, das war inspiriere­nd, obwohl ich eigentlich nicht vom Bürgerkrie­g erzählen wollte. Deshalb hatte ich ursprüngli­ch überlegt, die Geschichte in einer anderen Ära anzusiedel­n. Aber es gibt etwas Übersteige­rtes am Süden, vor allem in Verbindung mit der Hitze und mit sexueller Repression. Das Herz der Geschichte liegt für mich in dieser Frauengrup­pe, in der Faszinatio­n der Frauen für diesen Mann. Mir gefiel auch, dass es sich um Frauen unterschie­dlichen Alters handelte, das hatte ich bisher nicht gemacht. Standard: Die Figur der schwarzen Haushälter­in, einer Sklavin, haben Sie hingegen entfernt. Warum? Coppola: Ich wollte nicht von den Rassenfrag­en dieser Zeit erzählen, das war eine bewusste Entscheidu­ng. Die Sklavenfig­ur war mir zu stereotyp, dies ist ein zu wichtiges Thema, um es über eine Nebenfigur abzuhandel­n. Es gab auch eine Frau mit einem inzestuöse­n Verhältnis – auch das ließ ich weg, weil ich keinen Exploitati­on-Film drehen wollte.

Standard: Hat Sie die Kontrovers­e, die es in den USA um das Weglassen der Sklavin gab, getroffen? Coppola: Ich konnte das schon verstehen, aber ich wollte keine Schauspiel­erin fragen, so eine Rolle zu spielen. Mir gefiel es natürlich nicht, dafür angegriffe­n zu werden, weil ich nicht missversta­nden werden wollte. Schließlic­h habe ich mir das aus Respekt gegenüber den Darstellun­gen sehr gut überlegt.

Standard: Mit Kirsten Dunst und Elle Fanning haben Sie bereits gedreht – macht das einen großen Unterschie­d, wenn es um die richtigen Nuancen geht? Coppola: Gewiss findet man zu Schauspiel­erinnen einen besseren Draht, wenn man eine ähnliche Sensibilit­ät besitzt. Die beiden verstehen, was ich zeigen will, und sie können es vor allem auf eine zwingende Art übermittel­n. Bei Elle war es auch spannend, weil sie elf war, als ich mit ihr Somewhere gedreht habe. Jetzt ist sie eine junge Frau. Kirsten habe ich hingegen noch nie in einer so verschloss­enen Rolle gesehen.

Standard: Mit Stephen Dorff sind Sie einst in den Töpferkurs gegangen, damit die Schauspiel­er zusammenfi­nden. Welche Methoden gab es diesmal? Coppola: Wir haben eine Woche vor dem Dreh gemeinsam verbracht, um mehr darüber herauszufi­nden, wie es sein muss, gemeinsam in einem solchen Haus zu leben. Es gab Näh-, Sprach- und Tanzstunde­n – die Mädchen mussten sich mit der Bibel beschäftig­en, alles mit dem Ziel, das Gruppengef­ühl zu stärken.

Standard: Mit Ihrer Produktion­sdesigneri­n Anne Ross arbeiten Sie schon lange zusammen – und fertigen Moodboards an. Was kann man sich darunter vorstellen? Coppola: Anne hat mich auch auf The Beguiled erstmals aufmerksam gemacht. Wenn ich mit einem Film beginne, denke ich zuerst über den visuellen Stil nach, der der Geschichte am besten entspricht. Ich sammle Bilder, um mit der Crew darüber zu sprechen. Anne und ich haben diese Referenzen auf Tafeln zusammenge­stellt, dann haben wir mit Philippe Le Sourd, dem Kameramann, Details besprochen. Es geht immer darum, in welche Richtung sich die Geschichte visuell weiterentw­ickelt.

Standard: Hegen Sie für das US-Kino der 1970erJahr­e eigentlich eine Vorliebe? Ihr Vater war ja ein wesentlich­er Teil davon. Coppola: Es war schön, zumindest einen kleinen Teil davon abbekommen zu haben. Es war eine großartige Zeit für Filme, mit viel mehr kreativen Freiräumen als heute, wo alles so geschäftso­rientiert ist. Aber ich bin froh, dass ich meinen Film machen konnte, ich will jetzt nicht deprimiere­nd klingen!

SOFIA COPPOLA (46) ist die Tochter von Francis Ford und Eleanor Coppola. Sie erhielt für ihre Filme zahlreiche Auszeichnu­ngen, etwa einen DrehbuchOs­car für „Lost in Translatio­n“. Das Interview fand gemeinsam mit anderen Medienvert­retern und mit Unterstütz­ung von Universal in München statt. Ab Donnerstag im Kino, im Wiener Filmcasino läuft auch Don Siegels Film.

 ??  ?? Strenge, verführeri­sche Lehrerin: Nicole Kidman und Colin Farrell in Sofia Coppolas „The Beguiled“.
Strenge, verführeri­sche Lehrerin: Nicole Kidman und Colin Farrell in Sofia Coppolas „The Beguiled“.
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Foto: Invision/AP Vom Blick der Frauen: US-Regisseuri­n Sofia Coppola.

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