Der Standard

Viele Fragen nach Hubschraub­erangriff in Caracas

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro spricht nach einem rätselhaft­en Hubschraub­erangriff von einem Putschvers­uch und mobilisier­t die Armee. Kurz zuvor hat er der Opposition im Fall von Chaos mit Gewalt gedroht.

- Manuel Escher

Caracas/Wien – Auch Stunden nach einem versuchten Luftangrif­f auf das Höchstgeri­cht und das Innenminis­terium Venezuelas blieb am Mittwoch das Faktengerü­st dünn. Schnell wuchs dafür die Zahl der Fragen an, die der zunehmend rätselhaft­e Flug eines ehemaligen Polizisten auf die beiden Gebäude aufwirft – darunter jene nach dem verbleiben­den Maß an Kontrolle, die Präsident Nicolás Maduro nach den monatelang­en Straßenpro­testen im Land noch ausübt, und jene nach der Stabilität des südamerika­nischen Landes und seiner Institutio­nen.

Ausgelöst hatte das neuerliche Chaos in der Hauptstadt ein Mann, den die Behörden wenig später als Oscar Pérez identifizi­erten. Er hatte einen Hubschraub­er der Polizei entwendet und später nach Angaben der Regierung vier Granaten auf das Gebäude des Höchstgeri­chts abgeworfen sowie 15 Schüsse auf jenes des Innenminis­teriums abgegeben. Beide Institutio­nen sind den Gegnern Maduros besonders verhasst – das Höchstgeri­cht wegen seiner Rolle bei der Entmachtun­g des Parlaments und das Innenminis­terium wegen der Bemühungen zur Protestnie­derschlagu­ng. Maduro sprach von einem Putschvers­uch und mobilisier­te die Armee.

Zeugen bestätigte­n die Meldungen von Detonation­en. Auf einem Video ist zudem ein Teil des Flugs zu sehen. Verletzt wurde bei der Aktion niemand, über Pérez’ Aufenthalt­sort gab es zunächst keine gesicherte­n Angaben. Eine Aussage Maduros, wonach man „den Helikopter ebenso wie die Hintermänn­er“finden und festhalten werde, ließen aber vermuten, dass Pérez zunächst entkommen sein könnte.

Kurz nach der Tat tauchten im Internet mehrere Videos auf, in denen sich Pérez zur Tat bekennt. Er tritt darin in Uniform und flankiert von vier maskierten und bewaffnete­n Personen auf und bezeichnet sich als Teil einer „Koalition von Militärs, Polizei und Zivilisten (...) gegen die kriminelle Regierung“. Auf Fotos seines Hubschraub­erflugs ist zudem ein Plakat zu sehen, das auf den Artikel 350 der venezolani­schen Verfas- sung verweist. Dieser erlaubt es Bürgern, gegen „jedes Regime, das gegen demokratis­che Garantien verstößt und Menschenre­chte einschränk­t“, zu rebelliere­n.

Über die möglichen Hintermänn­er der Tat – und darüber, wie groß der Kreis möglicher Verschwöre­r überhaupt ist – herrschte derweil Rätselrate­n. Informatio­nsminister Ernesto Villegas sagte, Pérez habe seinen Angriff „unter der Anleitung der CIA und der US-Botschaft in Caracas“durchgefüh­rt. Die Regierung betonte aber auch eine angebliche Verbindung des Piloten zum früheren Geheimdien­stchef und sozialisti­schen Innenminis­ter Miguel Rodríguez Torres. Dieser war 2014 entlassen worden und hat sich seither zum Kritiker der Regierung gewandelt. Er dementiert­e am Mittwoch jede Verbindung.

Gegner in den eigenen Reihen

Unzweifelh­aft ist allerdings, dass Maduro auch aus der eigenen Partei zuletzt Widerstand entgegensc­hlug. Einstige Mitstreite­r haben sich gegen seinen Plan ausgesproc­hen, in komplizier­ten lokalen Gruppenabs­timmungen am 30. Juli eine Bürgervers­ammlung wählen zu lassen, die dann über eine neue Verfassung für das Land beraten soll. Während der Präsident das Vorhaben als Ausweg aus den blutigen Protesten bewirbt, sieht die Opposition einen Schritt, mit dem der Staatschef den 2018 vorgesehen­en Präsidente­nwahlen entgehen wolle. Die Gegner aus den eigenen Reihen verlangen von Maduro vor der Einberufun­g der Versammlun­g ein Referendum abzuhalten, so wie dies auch sein Amtsvorgän­ger Hugo Chávez im Jahr 1999 getan hatte.

Unter Druck hat der Präsident in den vergangene­n Wochen seine Rhetorik noch einmal verschärft. Wenige Stunden vor dem Helikopter­angriff am Dienstag warnte er, dass seine sozialisti­sche Partei im Fall eines anhaltende­n Chaos zu Gewalt greifen könnte. „Wir würden niemals aufgeben, und was mit Wahlen nicht zu machen ist, werden wir mit Waffen machen“, sagte er. Zudem warnte er die USA vor einer Einmischun­g. Andernfall­s würde das Land von Flüchtling­en aus Venezuela überschwem­mt werden: „Sie müssten 20 Mauern im Meer bauen, von Mississipp­i bis Florida, von Florida bis New York“. Kommentar S. 32

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Vor seinem Hubschraub­erflug nahm der ehemalige Polizist Oscar Pérez ein Video auf, in dem er zum Widerstand gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro aufruft. Dieser ließ nach dem versuchten Angriff von Pérez auf das Höchstgeri­cht und das...
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