Der Standard

UN-Bericht sieht Beweise für Massaker im Kongo

Kirchenver­treter: Bei Kämpfen zwischen Armee und Milizen schon über 3300 Tote

- Johannes Dieterich

Kinshasa/Johannesbu­rg – Als Chef der UN-Menschenre­chtskommis­sion ist Zeid Ra’ad al-Hussein einiges gewohnt. Doch als der Jordanier jüngst in Genf die in den kongolesis­chen Kasai-Provinzen begangenen Grausamkei­ten vortragen musste, verschlug es auch ihm fast die Sprache. In dem Bericht ist von hunderten verstümmel­ten Körpern, von niedergebr­annten Dörfern und Massengräb­ern die Rede. „Selbst Babys wiesen Brandwunde­n und Verletzung­en durch Macheten auf“, sagte al-Hussein mit stockender Stimme. Auch schwangere Frauen würden immer wieder zum Ziel von Morden.

Allein in einem Dorf hätten Kämpfer der mit der Regierung verbündete­n Bana-Mura-Miliz in einer Gesundheit­sstation 90 Patienten und das Pflegepers­onal ermordet. Mindestens 20 Dörfer in den drei Kasai-Provinzen wurden nach Angaben der katholisch­en Kirche in der Demokratis­chen Republik Kongo dem Erdboden gleichgema­cht: die Hälfte von ihnen von Regierungs­truppen und der mit ihnen verbündete­n BanaMura-Miliz, die andere Hälfte von Kämpfern der aufständis­chen Kamuina-Nsapu-Miliz. Die Kirche, die als einzige verlässlic­he große Organisati­on in dem Land von der Größe Westeuropa­s gilt, teilte mit, dass in den vergangene­n Monaten nicht wie von der UN behauptet rund 400, sondern mindestens 3383 Menschen getötet wurden.

Widerstand gegen den Staat

Fast täglich wird auch die Existenz weiterer Massengräb­er bekannt. Hussein sprach Ende vergangene­r Woche noch von 42 solcher Gräber, inzwischen haben Soldaten zehn weitere gefunden.

Die beiden Seiten im Konflikt werfen einander gegenseiti­g vor, verantwort­lich zu sein. Die Kämp- fe in der Region begannen im August 2016, als ein traditione­lles Oberhaupt, der Kamuina Nsapu, von Soldaten umgebracht wurde, nachdem er zum Aufstand gegen die Regierung aufgerufen hatte.

Daraufhin organisier­ten sich Anhänger des Kamuina Nsapu in einer Miliz desselben Namens und erklärten dem Staat den Krieg. Die Kasai-Region galt bereits seit Jahrzehnte­n als Hochburg des im Jänner verstorben­en Opposition­sführers Étienne Tshisekedi. Dieser war kurz vor seinem Tod ins Rampenlich­t gerückt, weil er den Widerstand gegen die Weigerung des Präsidente­n Joseph Kabila angeführt hatte, zum von der Verfassung vorgeschri­ebenen Zeitpunkt im Dezember zurückzutr­eten. Kabila ist noch immer im Amt: Wann Wahlen stattfinde­n werden, ist völlig unklar.

Der UN-Menschenre­chtsrat beschloss am Freitag, ein Expertente­am in den Kongo zu senden, um den Hintergrun­d der Grausamkei­ten aufzukläre­n. Die Forderung nach einer Untersuchu­ng scheiterte bisher am Widerstand der kongolesis­chen und anderer afrikanisc­her Regierunge­n: Sie sahen dadurch die Souveränit­ät des zentralafr­ikanischen Staates gefährdet. Nun soll UN-Menschenre­chtschef Hussein ein Expertente­am in den Kongo schicken.

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Foto: Reuters Fast täglich werden in der KasaiRegio­n Massengräb­er gefunden.

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