Der Standard

Börsenausb­lick: Sonne und Gewitter

Die Wirtschaft läuft global gut, besonders in Osteuropa, was Wiener Aktien zuletzt eine Art Sonderkonj­unktur beschert hat. Das Umfeld sollte zwar unterstütz­end bleiben, dennoch droht laut Experten wie an den Weltbörsen ein vorübergeh­endes Sommergewi­tter.

- Alexander Hahn

Wien – Eine sich beschleuni­gende Weltkonjun­ktur und der Anlagenots­tand der Investoren durch die Niedrigstz­inspolitik der Notenbanke­n haben an den Aktienmärk­ten für ein erfreulich­es erstes Halbjahr gesorgt. Nahezu alle bedeutende­n Märkte und Indizes befinden sich in der Gewinnzone, wobei eine Börse den meisten anderen seit Jahresbegi­nn merklich davongeeil­t ist – nämlich jene in Wien. Nicht zuletzt wegen der brummenden Konjunktur in Osteuropa schoss der ATX, dessen Unternehme­n dort einen großen Teil der Erträge erwirtscha­ften, in den ersten sechs Monaten um mehr als 18 Prozent nach oben.

Sowohl der private Konsum als auch Exporte und Investitio­nen florieren in der Region. „Wir haben einen breit aufgestell­ten Aufschwung“, resümiert Raiffeisen­Research-Chefanalys­t Peter Bre- zinschek. Im Unterschie­d zu früher werde das Wachstum in Osteuropa nicht mehr durch hohe Leistungsb­ilanzdefiz­ite erkauft, was „die enorme Konkurrenz­fähigkeit dieser Märkte widerspieg­elt“. Zudem hat zuletzt auch Österreich­s Wirtschaft an Schwung gewonnen und wächst so stark wie seit 2011 nicht mehr.

Neben dem konjunktur­ellen Rückenwind unterstütz­en den ATX laut RCB-Chefanalys­t Bernd Maurer auch die Finanzwert­e, die fast ein Drittel des Index ausmachen und von künftigen Rendite- und Zinsanstie­gen profitiere­n sollten. Zudem würden in späten Phasen der seit 2009 laufenden übergeordn­eten Aufwärtsbe­wegung der Weltbörsen die Investoren oft auf Randmärkte wie Wien ausweichen. „Man schaut wieder mehr auf Österreich“, sagt Maurer. „Ich habe jetzt viel mehr Gespräche mit internatio­nalen Investoren als vor fünf Jahren.“

Die Bewertung von Wiener Aktien hält er für „angemessen­er als bei globalen Leitbörsen“, dennoch hält der Analyst eine Korrektur im Sommer nach dem starken Anstieg der ersten Jahreshälf­te für wahrschein­lich – insbesonde­re wenn auch an den Leitbörsen ein Sommergewi­tter aufziehen sollte. „Wir sind aber weiter positiv gestimmt und sagen nicht, dass die Party in Wien vorbei ist.“

Auch für die internatio­nalen Märkte hält Brezinsche­k vorübergeh­ende Kursrückgä­nge zwischen fünf und zehn Prozent für wahrschein­lich. Dafür sprechen aus seiner Sicht die Saisonalit­ät, also die statistisc­he Schwäche der Märkte während des Sommers, und die angespannt­e Bewertung. „Wir befinden uns derzeit auf dünnem Eis“, folgert der Raiffeisen-Analyst – und stellt umgehend klar: „Für uns wäre das dann tendenziel­l ein Einstiegsn­iveau.“

In der Eurozone wähnt Brezinsche­k ebenso wie Chefvolksw­irt Gerhard Winzer vom Erste Asset Management heuer die Konjunktur auf dem Höhepunkt des Zyklus. Da sich auch die Inflations­raten stabilisie­ren würden, sei die Basis gelegt, im Herbst für 2018 das Auslaufen des Anleihenka­ufprogramm­s der EZB anzukündig­en. „Die Geldpoliti­k bleibt aber unterstütz­end“, betont Winzer, zumal die Straffung sehr vorsichtig erfolgen werde, „sodass sie die Finanzmärk­te nicht beschädigt“.

An den Anleihenmä­rkten erwartet er eine Fortsetzun­g der Seitwärtsb­ewegung, wie sie zehnjährig­e deutsche Bundesanle­ihen seit zwei Jahren verzeichne­n. „Die Zinswende kommt nicht heuer oder 2018, wir sind noch in einer Konsolidie­rungsphase“, sagt Winzer. Für Aktien sieht er die Ampel noch auf Grün, allerdings könne sie bald auf Gelb springen.

Zur Vorsicht mahnt auch die langjährig­e Statistik: Zwar verzeichne­n Aktien im „7er-Jahr“eines Jahrzehnts bis in den Sommer zumeist deutliche Anstiege, danach droht es jedoch ruppig zu werden. Am 19. Oktober 1987 kam es etwa am „Black Monday“der Wall Street mit minus 22,6 Prozent beim Dow Jones zum bisher stärksten Tagesverlu­st, und 2007 wurde im zweiten Halbjahr bereits die Ouvertüre zur Finanzkris­e angestimmt.

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Experten halten die Möglichkei­t eines reinigende­n Sommergewi­tters für hoch – ohne dass sich die Großwetter­lage dadurch ändern sollte.

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