Anleger im Dickicht der grünen Labels
„Grün“ist in – im Supermarkt wie an den Börsen. Doch Grün gibt es in vielen Schattierungen. Die Labels, die auf grünen Anlagen kleben, erlauben unterschiedliche Dinge. Für Anleger oft eine undurchsichtige Grauzone.
Boston / New York – Produkte, die umweltschonend und unter humanen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden, werden immer beliebter. Auch bei der Auswahl von Aktien oder Fonds spielen diese Faktoren eine immer größere Rolle. Eine Richtschnur hierfür sollen sogenannte grüne Ratings liefern, die ökologische und soziale Faktoren bewerten. Anlegern soll es damit einfacher gemacht werden, das für sie passende Investment zu finden. Die Noten der verschiedenen Agenturen weichen teils aber deutlich voneinander ab. „Uns fehlt eine einheitliche Sprache“, kritisiert Asha Mehta, Leitern des Bereichs verantwortungsvolles Investment beim Vermögensberater Acadian.
Dabei wächst der Markt für ESG-Anlagen (Environment Social Governance) rasant. Schätzungen des Forum for Sustainable and Responsible Investment zufolge berücksichtigen Fondsmanager bei der Entscheidung für Wertpapiere derzeit für ein Volumen von mehr als acht Billionen Dollar zumindest teilweise ökologische oder soziale Faktoren. Das ist fast fünfmal so viel wie 2012.
Einer Untersuchung des Analysehauses CSR Hub zufolge stimmen die grünen Ratings der beiden führenden Anbieter – Systainalytics und eine Tochter des Index-Anbieters MSCI – aber nur zu einem Drittel überein. Bei klassischen Bonitätsratings kämen Agenturen wie Standard & Poor’s (S&P) und Moody’s dagegen fast immer zum gleichen Ergebnis. Die Kreditwürdigkeit lässt sich anhand von Zahlen und Fakten einfacher bestimmen, heißt es. Projekte im Umwelt- oder Arbeitsschutz lassen sich viel schwerer fassen und bieten immer Raum für Interpretationen.
Beispiel Tesla: Der Elektroautopionier erhielt von MSCI die Bestnote „AAA“. Bei Sustainalytics rangiert das Unternehmen dagegen im Mittelfeld hinter Konkurrenten wie Ford oder General Motors. Ein Grund dafür sei, dass Tesla keine Daten zu den CO - Emissionen seiner Fabriken veröffentliche, sagte Simon MacMahon, Chef-ESG-Analyst des Research-Hauses. Darum erreiche das Unternehmen nur 55 von 100 möglichen Punkten. Bei MSCI erhält Tesla beim Thema CO -Emissionen zwar ebenfalls nur 5,3 von zehn möglichen Punkten. Auf die Gesamtnote wirke sich das aber nicht aus, weil andere Faktoren wie die Emissionsfreiheit der Fahrzeuge höher gewichtet würden, sagt Linda-Eling Lee, Leiterin der ESG-Analyse bei MSCI.
Investoren bereite dies Kopfzerbrechen, betont Robert Fernandez, Chef des ESG-Research beim Anlageberater Breckinridge. Einige Firmen nutzten die Bewer- tungsunterschiede und stellten einfach die positivere Note heraus. Fondsanbietern wie BlackRock sind die Schwächen „grüner“Ratings durchaus bewusst. So nennt der weltgrößte Vermögensverwalter im Prospekt für seinen börsennotierten Fonds (ETF) „iShares MSCI KLD 400 Social“als mögliches Risiko, dass die Auswahl der aufgenommenen Unternehmen nicht nach den richtigen ESG-Charakteristika erfolge.
Anleger tappen im Dunklen
Anleger bleiben damit oft im Dunkel und können nicht sicher sein, dass sie ein Produkt haben, das wirklich ihren ökologischen oder sozialen Leitlinien entspricht. Lynn Blake, leitende Anlegerin beim BlackRock-Konkurrenten State Street, warnt jedoch davor, die Abweichungen überzubewerten. Aus ihrer Sicht seien die grünen Ratings „gut genug“. „Vor allem für Index-Fonds mit einem breitgefächerten Anlage- Universum.“Ähnlich urteilt MSCIExperte Lee. „Man kann allem eine Gewichtung von drei Prozent geben. Unter dem Strich gleicht sich alles aus.“
Dennoch gibt es Initiativen für eine Vereinheitlichung der Bewertungskriterien. In der EU müssen Firmen ab 2018 über ihre Umweltschutzbemühungen oder soziale Projekte informieren. Viele Unternehmen machen das bereits freiwillig – standardisierte Vorgaben dafür gab es bisher aber nicht.
In Österreich gibt es auch mehrere Logos für grüne Geldanlagen. Durchgesetzt hat sich zuletzt das Österreichische Umweltzeichen. Auch das Siegel vom Forum für nachhaltige Geldanlage gewinnt an Bedeutung. Zudem gibt es das Transparenzlogo Eurosif, das erhalten Produkte aber nur für ein Jahr und zeigt, dass sie den entsprechenden Agenturen ausreichend Infos geliefert haben. Sie werden damit also für ihre Transparenz belohnt. (Reuters, bpf)