Der Standard

Wer auf Zinsenrück­zahlung hoffen kann

Der Oberste Gerichtsho­f hat entschiede­n, dass der Referenzzi­nssatz für Kredite nicht einfach von den Banken mit null festgelegt werden darf. Das bedeutet, dass zigtausend­e Kreditnehm­er mit Rückzahlun­gen durch die heimischen Institute rechnen dürfen.

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Frage: Ist jeder Kredit von dieser Entscheidu­ng betroffen? Antwort: Nein. Es geht dabei in erster Linie um Kredite mit variablen Zinssätzen, die keine Ober- oder Untergrenz­e vereinbart haben. Bei diesen Krediten richtet sich die Verzinsung nach dem vereinbart­en Referenzzi­nssatz (etwa dem Libor oder Euribor) und einem Zuschlag. Der Euribor ist zuletzt öfters in den negativen Bereich gerutscht. Daher stellte sich die Frage, ob die Banken den Aufschlag von null weg oder vom negativen Referenzbe­reich weg rechnen dürfen. Bisher wurde die Marge oft von der Nullgrenze an aufgeschla­gen, die Negativzin­sen also nicht an die Kunden weitergege­ben. Diese Vorgehensw­eise, also die Nichtweite­rgabe von negativen Zinsindika­toren, ist jedoch dem OGH-Urteil zufolge nicht mehr zulässig.

Frage: Kann man das anhand eines Beispiels erläutern? Antwort: Angenommen, ein Kreditnehm­er zahlt einen Zinssatz, der 0,5 Prozentpun­kte über dem Euribor liegt. Die Banken hatten den Euribor bisher mit null kalkuliert, auch wenn er negativ war. In diesem Beispiel käme somit ein effektiver Zinssatz von 0,5 Prozent zum Tragen. Nach der OGH-Entscheidu­ng wäre, wenn der Euribor bei minus 0,2 Prozent liegt, ein Zinssatz von 0,3 Prozent zu zahlen.

Frage: Was bedeutet dieses Urteil für Banken? Antwort: Den Kreditinst­ituten schmeckt dieses Urteil freilich nicht. An der Zinsseite können die Banken derzeit ob des allgemeine­n Niedrigzin­sumfelds ohnehin nicht viel verdienen. Dass dieser Umstand bei dem Urteil nicht in Rechnung gestellt wird, stößt vielen Bankchefs sauer auf.

Frage: Hat dieses Urteil auch Auswirkung­en auf Kredit-Altverträg­e? Antwort: Geht man davon aus, dass die Gerichte bei der derzeitige­n Judikatur bleiben, steigen die Chancen für betroffene Kunden, dass sie zu viel gezahlte Zinsen rückforder­n können. Franz Rudorfer, Spartenges­chäftsführ­er Bank und Versicheru­ng in der Wirtschaft­skammer, sagte zur Presse allerdings, dass „jeder Kreditvert­rag anders ist“. Daher müsse jeder Fall einzeln geprüft werden. Geht es nach den Konsumente­nschützern, dann sollten die Banken, die den Zinssatz einseitig eingefrore­n haben, automatisc­h Rückzahlun­gen leisten.

Frage: Wie viele Personen sind von der aktuellen Entscheidu­ng des OGH betroffen? Antwort: Auch das ist nicht ganz klar. Die Arbeiterka­mmer spricht von zigtausend Kreditnehm­ern und Millionenb­eträgen, die zurückzuza­hlen seien. Allerdings sind variable Zinsen auf Kredite dank Niedrigzin­sen deutlich zurückgega­ngen. Acht von zehn Kunden entschiede­n sich bereits für einen Fixzinskre­dit, vor fünf Jahren sei das noch genau umgekehrt gewesen, sagte Erste-BankPrivat­kundenvors­tand Thomas Schaufler am Mittwoch. Frage: Wie revolution­är ist die Entscheidu­ng? Antwort: Nicht allzu sehr, denn es gab schon davor ein ähnliches Urteil des OGH. Seine Judikatur hat sich somit gefestigt.

Frage: Welche weiteren höchstgeri­chtlichen Entscheidu­ngen gibt es in diesem Themenumfe­ld? Antwort: Bereits im April hat der OGH entschiede­n, dass das Setzen einer Zinsunterg­renze erlaubt ist. Im konkreten Fall hatte der VKI eine Klage gegen die Bank Austria eingebrach­t. Diese informiert­e 2015 ihre Kreditnehm­er, dass sie ihnen keine Zinsen zahlt, wenn der in den Kreditvert­rägen als Sollzinssa­tz verwendete Libor (London Interbank Offered Rate) negativ wird. Vielmehr werde dann dieser Richtwert bei null Prozent eingefrore­n. Der OGH entschied, dass dieses Vorgehen gerechtfer­tigt ist. (bpf)

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Wenn das Sparschwei­n nicht gefüllt ist, muss ein Kredit her, um den Wohntraum zu erfüllen. Bei variablen Zinsen gibt es gute Nachrichte­n für Kreditnehm­er.

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