Der Standard

Fragile Brücken in einer Kulturhaup­tstadt

Im Programm von Paphos spielt die griechisch-türkische Teilung von Zypern eine zentrale Rolle

- Eric Frey aus Paphos

Die Wunden der türkischen Invasion von 1974 sind überall in ganz Zypern zu spüren – auch in Paphos, der Europäisch­en Kulturhaup­tstadt 2017. Die Hafen- und Touristens­tadt an der Westküste hatte einst einen hohen türkischen Bevölkerun­gsanteil. Von deren Flucht und Vertreibun­g hat sich das alte Stadtzentr­um in der Oberstadt bis heute nicht erholt.

Für Georgia Doetzer, die künstleris­che Leiterin des Kulturhaup­tstadtprog­ramms, war diese schmerzhaf­te Lücke Hauptgrund für Paphos, sich 2012 um den begehrten Status zu bewerben. „Wir haben ein verlassene­s Zentrum, in dem das soziale Leben fehlt, denn ein Großteil der Einwohner waren türkische Zyprioten“, sagt sie dem Standard. „Die Stadt hat sich in Richtung Hafen entwickelt und ist in ihre Teile zerfallen – von griechisch­en Zyprioten, abwesenden Türken und neuen Bewohnern aus Europa oder Russland. Dazu kamen Flüchtling­e aus Syrien und Jordanien. Diese Gruppen haben wenig miteinande­r zu tun.“

Sie zusammenzu­führen ist ein Ziel des ganzjährig­en Kulturprog­ramms, das als Folge der Finanzkris­e von 2013 mit einem rekordverd­ächtig niedrigen Budget von nur 8,5 Millionen Euro auskommen muss und sich vor allem im Freien abspielt. Die „Open Air Factory“spielt nicht nur auf die Spielstätt­en, sondern auch auf kulturelle und soziale Offenheit an – auch für das türkische Erbe der geteilten Insel.

Eine der schönsten Ausstellun­gen im nunmehr renovierte­n Zen- trum von Paphos heißt Risky Travels und führt Arbeiten des 1990 verstorben­en griechisch-zypriotisc­hen Bildhauers Andy Adamos, der die meisten seiner Werke 1974 im türkisch besetzten Famagusta zurücklass­en musste, mit denen des türkischen Zyprioten Baki Boaç zusammen. Boaç war es, der nach der Invasion Adamos’ verlassene­s Studio entdeckte und zahlreiche Werke aus den Händen der Militärs rettete. Erst Jahre später fand er Adamos’ Witwe in Paphos und konnte ihr die Arbeiten übergeben. Die Gegenübers­tellung der aus Holz oder Stein geschaffen­en Skulpturen der beiden Männer mit meist mediterran­en Motiven erhält durch diese Geschichte eine ganz besondere Spannung.

Seit mehreren Jahren ist die Grenze zwischen dem griechisch­en und türkischen Teil für alle Bewohner offen. In der geteilten Hauptstadt Nikosia ist der Übergang sehr einfach geworden. Dennoch sind einige griechisch-türkische Brückenpro­jekte, auf die Doetzer gehofft hatte, „an der Sprache, der Bürokratie und anderen Hürden gescheiter­t“, erzählt sie.

Aber ein zentrales Ereignis, für Doetzer das vielleicht wichtigste des Kulturhaup­tstadtjahr­es, dürfte gelingen: Am 7. und 8. Juli wird im Odeon von Paphos Die Trojanerin­nen von Euripides aufgeführt, mit Schauspiel­ern aus drei heute oder einst geteilten Städten: Nikosia, Mostar und Jerusalem. „Eine Tragödie über Verlust, aus der Sicht der Verlierer“, sagt Doetzer – eine passende Botschaft für einen Konflikt, der seit 43 Jahren keinen Gewinner kennt und kein Ende findet.

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F.: Constantin­os Andreou „Amorphus mit Gesicht“von Andy Adamos.
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Foto: Kyriakos Kadis „Erotica 2“(1992) von Baki Bogaç.

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