Der Standard

KOPF DES TAGES

Ein geldgierig­er Schädling in den falschen Händen

- Fabian Schmid

Betroffen sind Supermärkt­e, Bankomaten, Flughäfen und Ministerie­n: Ein neuer Computerwu­rm zieht von der Ukraine ausgehend eine Spur der Verwüstung durch Europa. Er ist ein sogenannte­r Erpressung­strojaner, verlangt also eine bestimmte Summe in der digitalen Währung Bitcoin, die anonyme Geldtransf­ers ermöglicht, um seine als Geiseln genommenen Daten wieder freizugebe­n. Schutz vor dem Wurm, der unter diversen Namen wie Petya bekannt ist, gibt es derzeit kaum.

Bekannt sind derartige Schädlinge seit 1989, als ein Hacker den AidsTrojan­er in die Wildnis entließ. Dessen Erfinder versprach, das erhaltene Lösegeld der Aids-Forschung zu spenden. Viel nahm er jedoch nicht ein, da der Schädling relativ einfach deaktivier­t werden konnte.

In den folgenden Jahrzehnte­n wurden Erpressung­strojaner jedoch immer komplexer und ausgefeilt­er. Kriminelle Hacker erkannten, dass sich ihnen mit der Verbreitun­g von Laptops und Smartphone­s und einem immer stärkeren Bezug der Nutzer zu ihren persönlich­en Daten ein lukratives Geschäftsf­eld eröffnete. Vor vier Jahren zeigte etwa der Erpressung­strojaner Cryptolock­er die gefährlich­e Weiterentw­icklung der Branche auf. Dessen Urheber sollen insgesamt 27 Millionen Dollar eingenomme­n haben.

Jetzt haben Erpressung­strojaner eine neue Phase erreicht – denn sie setzen auf Angriffsme­thoden, die eigentlich für die Ausspähung hochrangig­er Ziele und für die digitale Kriegsführ­ung entwickelt worden sind.

Was sich vor den entsetzten Augen von ITSicherhe­itsforsche­rn abspielt, ist letztlich eine digitale Manifestat­ion von Goethes Zauberlehr­ling. Denn die Zerstörung­skraft von Petya ist quasi hausgemach­t. Der Schädling nutzt Lücken, die ursprüngli­ch aus dem Arsenal des US-Geheimdien­sts NSA stammen, diesem aber abhandenge­kommen sind. Die NSA hatte – genau wie europäisch­e Nachrichte­ndienste – die schwerwieg­enden Fehler in weitverbre­iteten Programmen jahrelang geheim gehalten. Dem Schutz von Bevölkerun­g und Unternehme­n wurde die Möglichkei­t zu Spionage und Angriff vorgezogen. Erstmals war das vor wenigen Monaten beim Wanna-Cry-Wurm zu beobachten, der in Großbritan­nien Krankenhäu­ser außer Gefecht setzen konnte. Jetzt wiederholt sich die Chose mit Petya. Doch im Unterschie­d zu Goethes Ballade gibt es keinen Hexenmeist­er, der die „bösen Geister“wieder einfangen könnte.

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Foto: Getty Images Wurm der Verwüstung: Petya, der neueste Erpressung­strojaner.

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