Der Standard

Ziviler Widerstand im Zeichen der gelben Ente

Vertreter der Zivilgesel­lschaft werden in Serbien zur Zielscheib­e von Medien

- Adelheid Wölfl

Belgrad/Berlin – Ihr Maskottche­n ist eine riesige gelbe Ente – ähnlich den bekannten Badeenten. Die Gruppe heißt „Lasst Belgrad nicht untergehen“und kämpft seit zwei Jahren gegen das Projekt „Belgrad am Wasser“– eine riesige Infrastruk­turinvesti­tion der Regierung am rechten Ufer der Sava, die mit Geldern aus Dubai finanziert wird. Viele Belgrader mögen das Projekt nicht, weil sie das Ufer nicht durch hohe Gebäude verschande­lt sehen wollen und weil sich dort in den vergangene­n Jahren eine interessan­te alternativ­e Kultur- und Gastronomi­eszene entwickelt hat.

Voriges Jahr im April demolierte­n maskierte Männer – offenbar in Absprache mit der Polizei – jene Gebäude, die im Zuge der Neugestalt­ung des Flussufers weggeschob­en werden sollten. Tausende Belgrader gingen auf die Straße. Die Demonstran­ten vermuteten die Regierung als Auftraggeb­er der Zerstörung­saktion – diese verwies auf die Stadtverwa­ltung. Die Architekti­n Ksenija Radovanovi­ć war von Anfang an bei den Protesten dabei und hat zu spüren bekommen, was es bedeutet, wenn man sich in Serbien gegen den Willen der Mächtigen auflehnt.

Wie auch in anderen BalkanStaa­ten gibt es regierungs­nahe Medien, die als Waffen gegen missliebig­e Personen eingesetzt waren. Eine der auffälligs­ten ist die Boulevardz­eitung Informer. Radovanovi­ć und andere der NGO „Lasst Belgrad nicht untergehen“wurden vom Informer namentlich genannt und abgebildet. In dem Artikel ging es um einen angeblich geplanten Anschlag gegen den damaligen Premier Aleksandar Vučić. Radovanovi­ć wurde zudem vorgeworfe­n, dass sie sich wohl von „Albanern“bezahlen lasse – weil sie auf ein Kulturfest­ival in den Kosovo gefahren war.

Bedroht von Schlägern

In Serbien kann man mit antialbani­schen Ressentime­nts Leute mobilisier­en. Aber auch in den sozialen Medien kam es zu Verleumdun­gen. „Zuerst lachst du noch, aber dann wird es immer mehr. Ich wurde sogar von ein paar Typen bedroht, die sagten, sie hätten mich am Foto erkannt und woll- ten mich zusammensc­hlagen“, erzählt Radovanovi­ć. Die von ihr um Hilfe gebetene Polizei wiegelte ab: Am Foto könne man sie unmöglich erkennen. Ein anderes Mal wurde sie von Männern, die sich als Polizisten ausgaben, aufgeforde­rt, ihnen zu folgen. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass dies gar keine Polizisten waren.

Radovanovi­ćs NGO muss auch immer wieder vor Gericht erscheinen. Der Vorwurf lautet, Demonstrat­ionen nicht ordnungsge­mäß angemeldet zu haben. Auf der anderen Seite versuche die Stadtverwa­ltung mit Hilfe von Terminvers­chiebungen zu verhindern, dass die NGO zu Sitzungen zum Thema „Belgrad am Wasser“kommen könne, erzählt sie. Mittlerwei­le kümmert sich „Lasst Belgrad nicht untergehen“auch um die Verhinderu­ng einer Mülldeponi­e.

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Die Spielzeuge­nte ist das Symbol der Gegner des Projektes „Belgrad am Wasser“.

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