Der Standard

Sorge um Rechtsstaa­t in Polen

EP: Fraktionsü­bergreifen­der Appell an Präsident Duda

- Gerald Schubert

Warschau/Wien – Der Protest gegen die geplante Justizrefo­rm in Polen will nicht verstummen. Am späten Sonntagabe­nd verlagerte er sich vom Warschauer Parlament vor das Gebäude des Obersten Gerichts. Also just auf jenen Platz, auf dem vor knapp zwei Wochen US-Präsident Donald Trump verkündet hatte, Polen und die USA teilten die Verpflicht­ung, Werte wie Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit zu verteidige­n.

Um Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit ging es auch den tausenden Demonstran­ten. Es ist allerdings Polens nationalko­nservative Führung selbst, die ihnen zufolge beides in Gefahr bringt: Zuvor hatte am Samstag nach dem Sejm auch der Senat die umstritten­en Änderungen beim Landesjust­izrat gebilligt. Das bisher unabhängig­e Gremium, das für die Besetzung von Richterpos­ten zuständig ist, würde durch die Reform unter die Kontrolle der Politik kommen, befürchten Kritiker.

Außerdem liegt im Sejm bereits der nächste umstritten­e Entwurf: Er sieht vor, dass alle Richter des Obersten Gerichts – außer jenen, die vom Justizmini­ster persönlich abgenickt werden, – zwangsweis­e in den Ruhestand versetzt werden. Über die Besetzung der freien Stellen soll dann ebenfalls der Justizmini­ster entscheide­n.

Proteste gehen weiter

Die Fraktionsv­orsitzende­n von Konservati­ven, Sozialdemo­kraten, Liberalen, Vereinigte­n Europäisch­en Linken und Grünen im Europäisch­en Parlament drückten unterdesse­n in einem gemeinsame­n Schreiben an Parlaments­präsident Antonio Tajani ihre Besorgnis über die Situation des Rechtsstaa­ts in Polen aus.

Die Justizrefo­rm stelle eine Verletzung der polnischen Verfassung sowie europäisch­er Prinzipien dar, heißt es in dem Schreiben. Die Autoren fordern von der Europäisch­en Kommission eine klare Stellungna­hme und appelliert­en an Polens Präsidente­n Andrzej Duda, seine Unterschri­ft unter die Reform zu verweigern.

Regierungs­gegner wollten bis heute, Dienstag, weiter protestier­en. Dann steht im Parlament das Gesetz zum Obersten Gericht auf der Tagesordnu­ng.

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Demonstran­ten vor dem Obersten Gericht in Warschau zündeten Kerzen an und schwenkten polnische Fahnen. „Hände weg von der Justiz“, lautet ihre Botschaft.

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