Der Standard

Kleinparte­ien wollen sich nicht einschränk­en lassen

Grüne, Neos und das Team Stronach wollen auch wenige Tage vor der Wahl noch die Möglichkei­t haben, neue Gesetze zu beschließe­n. Der Bundesrat hätte ausnahmswe­ise eine echte Vetomöglic­hkeit.

- Günther Oswald

Wien – Die Angst vor Wahlkampfz­uckerln geht um im Parlament. Doris Bures und Karlheinz Kopf haben deshalb zuletzt vorgeschla­gen, die geplanten Nationalra­tssitzunge­n am 12. und 13. Oktober ersatzlos zu streichen.

Wegen der unmittelba­r danach stattfinde­nden Nationalra­tswahl am 15. Oktober könnten die Parteien in Versuchung geraten, noch schnell milliarden­teure Wahlgesche­nke zu beschließe­n, um so die Wähler gewogen zu stimmen, argumentie­ren die Nationalra­tspräsiden­ten von SPÖ und ÖVP. Auch die Klubs von Rot und Schwarz unterstütz­en diese Linie. „Ich habe schon meine Zweifel, ob da noch eine sachorient­ierte Arbeit möglich ist“, sagte SP-Klubchef Andreas Schieder zum STANDARD.

Abgesagt werden könnten die Termine freilich nur, wenn sich alle Fraktionen einig wären. Das Konsenspri­nzip ist bei derartigen Dingen Usus im Hohen Haus, wie Parlaments­experte Werner Zögernitz bestätigt. Konsens ist aber weit und breit nicht in Sicht, wie ein STANDARD- Rundruf in den Parlaments­klubs ergab.

„Ausgeschlo­ssen“ist für den Klubobmann des Teams Stronach die Absage der Plenartage im Oktober. „Es gibt ohnehin schon viel zu wenige Sitzungen“, sagt Robert Lugar. Er hofft darauf, dass im Spiel der freien Kräfte noch „vernünftig­e Gesetze beschlos- sen werden“. Lugar: „Das Parlament ist der Gesetzgebe­r, das sollte man respektier­en.“

Auch der stellvertr­etende Klubchef der Neos, Nikolaus Scherak, ist gegen Absagen. Er räumt zwar ein, dass eine gewisse Gefahr von teuren Wahlgesche­nken bestehe, wie es sie auch vor der Wahl 2008 gegeben habe. „Dennoch müssen Abgeordnet­e auch ihrer Aufgabe nachgehen – und ein selbstbewu­sstes Parlament hat immer zu tagen“, sagt Scherak.

Wegen des Hickhacks der Regierungs­parteien seien ohnehin schon viel zu viele Themen liegengebl­ieben, verweist er etwa auf die Abschaffun­g der kalten Progressio­n, also der Anpassung der Steuertari­fe an die Inflation. Um die „berühmten Wahlzucker­ln“möglichst zu vermeiden, schlagen die Neos vor, nur mehr Dinge umzusetzen, die entweder schon im Regierungs­programm von SPÖ und ÖVP vorgesehen waren oder kostenneut­ral sind.

Der grüne Klubchef Albert Steinhause­r will sich die endgültige Entscheidu­ng noch offenlasse­n. Wenn man gar keine Tagesordnu­ng zustande bringe, brauche man natürlich auch keine Sitzung. Er will aber gemeinsam mit SPÖ und Freiheitli­chen noch eine Reform des Mietrechts samt Mietobergr­enze in Angriff nehmen, wie er sagt.

„Blockadeha­ltung der ÖVP“

Ähnlich wie bei anderen Themen scheitere hier eine Reform „seit 30 Jahren an der Blockadeha­ltung der ÖVP“. Diese Blockade könne man womöglich nur in der Phase der freien Mehrheitsv­erhältniss­e auflösen, meint Steinhause­r, der die „Ehe für alle“als weiteres mögliches Thema für einen Beschluss unmittelba­r vor dem Wahltermin nennt. Von Wahlzu- ckerln halte aber auch er nichts, meint der Grüne. „Ich glaube auch nicht, dass das funktionie­rt.“

Die Freiheitli­chen, mit denen Steinhause­r in Sachen Mietrecht verhandeln will, zeigen freilich vorerst wenig Begeisteru­ng für Beschlüsse knapp vor dem Urnengang. „Ich befürchte, dass die Stimmung so aufgeheizt ist, dass das wenig bringt“, meint der Dritte Nationalra­tspräsiden­t Norbert Hofer.

„Wir sehen jetzt schon, wie der Druck im Dampfkesse­l steigt“, lautet seine Einschätzu­ng des bisherigen Wahlkampfe­s. Er sei daher für den Vorschlag von Bures und Kopf, die Oktober-Termine zu streichen, „offen“. Sollten noch wichtige Themen im Sommer auftauchen, seien schließlic­h auch Sondersitz­ungen im September möglich. Dann hätte man einen etwas größeren Abstand zur Wahl.

Ursprüngli­ch waren die Oktober-Plenartage jedenfalls für die Präsentati­on des Budgets 2018 geplant. Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat aber bereits angekündig­t, dass die Budgeterst­ellung an die nächste Regierung delegiert wird.

Sollten am 12. oder 13. Oktober doch noch umstritten­e Beschlüsse gefasst werden, kommt auch dem Bundesrat eine ungewöhnli­ch wichtige Rolle zu. Die Länderkamm­er kann nämlich binnen acht Wochen ein Veto gegen Beschlüsse einlegen. Normalerwe­iser kann sich der Nationalra­t dagegen per Beharrungs­beschluss wehren, ein Gesetz würde also trotzdem in Kraft treten. Vor der Wahl wäre das jedoch anders. Da der aktuelle Nationalra­t aus zeitlichen Gründen keinen Beharrungs­beschluss mehr fassen könnte, hätte der Bundesrat das letzte Wort. „In dem Fall wäre das Veto ein absolutes“, sagt Parlaments­experte Zögernitz.

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Im Oktober würde das Parlament bereits im Ausweichqu­artier in der Hofburg tagen. Doris Bures möchte die Sitzungen am liebsten absagen.

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