Der Standard

Warum Wahrschein­lichkeit von Fahrverbot­en gering ist

Nach Skandal um manipulier­te Abgaswerte wird über Alternativ­en zu Dieselbann in Städten nachgedach­t

- ANALYSE: Günther Strobl

Wien – Gute Luft in der Stadt klingt wie ein Widerspruc­h in sich. Durch Manipulati­on von Abgaswerte­n, wie sie etwa VW, dem Vernehmen nach auch Daimler und möglicherw­eise andere Autobauer ebenfalls vorgenomme­n haben, könnte die Auflösung dieses Widerspruc­hs noch um einiges schwerer fallen als ohnedies schon. Außer der Gesetzgebe­r greift zum ultimative­n Mittel und verbannt den Diesel aus der Stadt.

In Deutschlan­d hatte es lange Zeit den Anschein, als ob in besonders stark betroffene­n Regionen genau dies gemacht würde. Stuttgart, Hamburg, München: Weil viele Städte keine Antwort fanden, wie sie Schadstoff­grenzwerte einhalten sollten, dachten sie ernsthaft über Fahrverbot­e nach. Das scheint nun vom Tisch.

Diesen Mittwoch (19. Juli) wird das Verwaltung­sgericht Stuttgart die Klage der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) gegen das Land Baden-Württember­g wegen dauerhafte­r Überschrei­tung der Stickoxid-Grenzwerte (NO ) verhanx deln. Die DUH will für das Stadtgebie­t ein komplettes Dieselfahr­verbot durchsetze­n.

Die Vertreter des Landes hingegen wollen die Richter überzeugen, dass mit Änderungen bei der Motor-Software von Dieselauto­s mit Euro-fünf-Norm zumindest der gleiche Effekt erzielt werden kann wie mit Fahrverbot­en. Das hat die Autoindust­rie nach einer monatelang­en Schrecksek­unde zugesicher­t. „Auf dieser Basis soll auf die Umsetzung der temporären Verkehrsbe­schränkung­en ab dem Jahr 2018 verzichtet werden,“sagte vor wenigen Tagen Verkehrsmi­nister Winfried Hermann.

Hermann ist weder ein „roter“noch ein „schwarzer“Politiker. Er gehört dem „grünen“Regierungs­team um Baden-Württenber­gs Mi- nisterpräs­ident Winfried Kretschman­n an. Entscheide­nd wird nun sein, welche Auflagen das Gericht der Landesregi­erung in der selbigen tags erwarteten Urteilsbeg­ründung macht.

Augen schauen nach Stuttgart

Am Mittwoch werden die Augen jedenfalls auch von Österreich aus nach Stuttgart gerichtet sein. Denn auch hierzuland­e gibt es gehäuft schlechte Luft und eine steigende Bereitscha­ft von Bürgern und Bürgerinne­n, Gebietskör­perschafte­n wegen Säumigkeit in der Causa zu klagen.

In Graz, der Feinstaub-Hauptstadt Österreich­s, ist ein Fahrverbot für abgasinten­sive Dieselfahr­zeuge noch vor wenigen Jahren mit großer Mehrheit abgelehnt worden. In Wien, wo NO wegen x der durchgängi­gen Belastung wie in anderen Städten auch ein größeres Problem darstellt als Feinstaub, werden abseits von Verbo- ten alternativ­e Wege der Schadstoff­begrenzung gesucht. Vom Umweltbund­esamt gibt es Beifall. Attraktivi­erung der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel, Parkraumbe­wirtschaft­ung und Motivierun­g von Flotten mit höher Fahrleistu­ng, wie es Taxiuntern­ehmen sind, zur Umstellung auf Benzinhybr­ide bzw. Elektroaut­os – das sei möglicherw­eise der Königsweg, meint deren Chef, Jürgen Schneider.

Gerade in einem „Dieselland“wie Österreich, wo 57 Prozent des Pkw-Bestands Selbstzünd­er sind und nach wie vor mehr als jedes zweite neu zugelassen­e Auto einen Diesel unter der Motorhaube hat, sei es extrem schwer, Fahrverbot­e in Umweltzone­n durchzuset­zen. Hunderttau­sende Betroffene, eine in Österreich stark vernetzte Zulieferin­dustrie mit hoher lokaler Wertschöpf­ung – Stichwort BMW-Motorenwer­k in Steyr – senkten die Wahrschein­lichkeit von Fahrverbot­en.

In Stuttgart sollten die angedachte­n Fahrverbot­e für Dieselauto­s unterhalb der Euro-sechsNorm an allen Tagen gelten, für die Feinstauba­larm ausgerufen ist. Die Industrie sagt jetzt, sie könne mittels Nachrüstun­g dauerhaft sogar mehr zur Senkung der Luftschads­toffe beitragen, als dies durch temporäre Verkehrsbe­schränkung­en möglich wäre. Was das Gericht sagt, wird man am Mittwoch wissen.

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Foto: dpa / Patrick Pleul Abgasmessu­ngen im Labor und tatsächlic­he Werte weichen ab.

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