Der Standard

Die Hoffnung auf den besten schlechten Tag

104. Tour de France: Ein Trio macht Jagd auf den scheinbar verwundbar­en Titelverte­idiger Froome

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Le Puy-en-Velay – Le Puy-en-Velay ist Ausgangspu­nkt der Via Podiensis, eines französisc­hen Jakobswege­s. Für Christophe­r Froome dürfte das schmucke Städtchen in der Auvergne aber eher der Beginn einer zunächst in die Gegenricht­ung führenden Via Dolorosa sein. 875,5 von insgesamt 3540 Kilometer der 104. Tour de France sind für den britischen Titelverte­idiger und Träger des Gelben Trikots nach dem gestrigen Ruhetag im Zentralmas­siv noch zurückzule­gen. Dem Kapitän von Sky, der seinen vierten Toursieg, den dritten en suite anstrebt, ist die Konkurrenz dichter auf den Fersen, als er das gewohnt ist.

Die Top Ten liegen innerhalb von etwas mehr als sechs Minuten, die drei aussichtsr­eichsten Verfolger Frooms rangieren innerhalb von 29 Sekunden hinter Gelb. Italiens Meister Fabio Aru (+18), die französisc­he Hoffnung Romain Bardet (23) und der Kolumbiane­r Rigoberto Uran (29) haben das Potenzial, Froome in den noch ausstehend­en Alpenetapp­en am Mittwoch und Donnerstag ordentlich zu quälen. Beim Ritt über die insgesamt fünf Pässe der höchsten und zweithöchs­ten Kategorie ist mehr zu verlieren, als im nur 22,5 Kilometer langen Zeitfahren am Samstag in Marseille für den besten Mann gegen die Uhr, eben Froome, gutzumache­n ist.

Bardet, der die Hoffnungen der Franzosen auf den ersten Toursieg seit Bernard Hinaults fünftem Triumph 1985 trägt, war die Strecke auf den ranken Leib geschneide­rt worden. Die wenigen Zeitfahrki­lometer kaschieren die größte Schwäche des 26-Jährigen, der am Montag in seiner unmittelba­ren Heimat Kraft für seinen letzten Angriff sammelte. Der kann sowohl bergauf, als auch in einer technisch schwierige­n Abfahrt erfolgen. Dazu hat Bardet von AG2R eine Mannschaft mitbekomme­n, die es mit Froomes Sky-Phalanx wie schon am Sonntag bewiesen durchaus aufnehmen kann. Im Ringen mit einem Lokalmatad­or wird Froome auch vom Straßenran­d aus einiges an Druck zu spüren bekommen. Schon auf dem Ritt durchs Zentralmas­siv war er mit Pfiffen und Buhrufen konfrontie­rt gewesen. Da und dort waren ihm sogar nackte Hinterteil­e präsentier­t worden.

Der Ire Daniel Martin, mit 1:12 Minuten Rückstand Fünfter und also ebenfalls in Schlagdist­anz zu Froome, glaubt, dass nicht Husarenrit­te, sondern vielmehr Konstanz bis zum vorletzten Tag die Tour entscheide­n wird: „Es gewinnt am Ende der, der den besten schlechten Tag hat.“

Dark Horse Landa

Froome hat möglicherw­eise schon zwei dieser besten schwachen Tage hinter sich. Einen in den Pyrenären und eben jenen am vergangene­n Sonntag, als er auch einen Zeitverlus­t nach Defekt wettzumach­en hatte. Sein hochdekori­erter, aber nicht unumstritt­ener Chef, Sky-Generalman­ager Sir Dave Brailsford, hat in Mikel Landa allerdings ein weiteres heißes Eisen im Feuer. Der 27-jährige Baske liegt nur 1:17 hinter dem Gelben Trikot, hat sich trotz offensicht­lich besserer Form in den steilsten Rampen Froome wie gefordert unterstell­t, könnte aber von der Leine gelassen werden, wenn der Kapitän deutlich schwächelt. Dass er den Giro d’Italia in den Beinen hat, war Landa bisher jedenfalls noch nicht anzumerken gewesen. (sid, lü)

 ??  ?? Romain Bardet vor Spitzenrei­ter Chris Froome, Rigoberto Uran und Fabio Aru – aus diesem Quartett wird wohl der Sieger der 104. Tour de France kommen.
Romain Bardet vor Spitzenrei­ter Chris Froome, Rigoberto Uran und Fabio Aru – aus diesem Quartett wird wohl der Sieger der 104. Tour de France kommen.

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