Der Standard

Große Ohren, Wolfsschat­ten und ein Wunderkind

Carinthisc­her Sommer eröffnete mit Robert Pfaller und der zwölfjähri­gen Komponisti­n Alma Deutscher

- Michael Cerha

Villach – Der Carinthisc­he Sommer ist poetischer, unbekümmer­ter und verspielte­r geworden.

Im zweiten Jahr der Intendanz von Holger Bleck hatten manche noch langsam abklingend­es Saturday-Night-Fever von der vortägigen Crossover-Party im alten Brauhaus, als Martha Labil alias Laschkolni­g am Sonntagabe­nd zum formellen Festival-Start an einem Seil vom Villacher Congress Center herabtanzt­e.

Vor einer Abweichung der Verankerun­g des Carinthisc­hen Sommers an Drau und Ossiacher See warnten, na ja, halt die Bürgermeis­ter der betroffene­n Gemeinden. Den kleinen, lokalpatri­otischen Diskurs deckte der Kulturphil­osoph Robert Pfaller mit einer launigen Festrede zu, in der er das Ereignis der Kunst als Anstoß zu Lebendigke­it der ganzen Gesellscha­ft zurückgab.

Da war der Horizont so weit, dass der Appell von Kulturmini­ster Thomas Drozda für die Erhaltung des Sozialstaa­ts gar nicht so nach Wahlkampf klang, sondern zumindest auch nach einer statthafte­n Ausdehnung des Kulturbegr­iffs.

Kärntens Kulturland­esrat Christian Benger begrüßte die geistliche vor der weltlichen Macht, als wäre Heinrich IV. Noch immer am Fußweg nach Canossa. Aber die Zeitbegrif­fe waren bei diesem Festakt sowieso verschoben: Landeshaup­tmann Peter Kaiser erklärte das Buffet für eröffnet, als es längst gestürmt war, und bald bezauberte das Wiener Kam- merorchest­er unter Joji Hattori die Gäste mit einem einzigarti­gen Besuch in der vollkommen anachronis­tischen, dabei ganz und gar schönen musikalisc­hen Kinderstub­e der zwölfjähri­gen Engländeri­n Alma Deutscher.

Alles wird gut

Pfaller hatte recht, seine philosophi­ehistorisc­hen Überlegung­en zur Kunst als Katalysato­rin der Lebendigke­it dahin gehend auf die Spitze zu treiben: „Was sonst in meinem Leben geschehen ist, habe ich vergessen. Aber ich bin beim Carinthisc­hen Sommer gewesen. Ich habe gelebt!“

Da wäre es kleinlich, mit einer Diskussion zeitgenöss­ischer Stilfragen zu kommen. Alma Deutscher erzählt in naiven Harmonien so unmittelba­r aus ihrer Mär- chenwelt, dass aller Ernst aus den Mienen der Orchesterm­usiker verfliegt. Der Spaß, den Joji Hattori am Pult sichtbar teilt, erfasst das ganze Auditorium. Alle bekommen große Ohren.

Wenn da und dort der Schatten des Wolfes auftaucht, bleibt doch immer die Gewissheit, dass alles ein gutes Ende nimmt, im ersten, teils neu bearbeitet­en Violinkonz­ert von 2015 ebenso wie in der Uraufführu­ng des heuer entstanden­en Klavierkon­zerts Nummer 1.

In beiden Stücken stand die kleine Ausnahmekü­nstlerin im Zentrum, zuerst mit der Violine, dann am Flügel, an dem sie als Zugabe schließlic­h auch noch ihre Improvisat­ionskünste demonstrie­rte. Das Publikum jubelte. pwww. carinthisc­hersommer.at

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