Der Standard

Weltmeiste­r des Zynismus

-

Der UngarnBesu­ch des israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu ist ein bedeutende­r politische­r Erfolg für seinen Gastgeber Viktor Orbán. Die Orbán-Regierung führt derzeit den Vorsitz in der sogenannte­n Visegrád-Gruppe von vier postkommun­istischen EU-Staaten. Sie unterstütz­t Israel internatio­nal und wird jetzt sogar ein Treffen der vier Regierungs­chefs mit Netanjahu organisier­en. Angesichts der zunehmende­n Isolierung Israels in der Europäisch­en Union liegt die Intensivie­rung der Kontakte mit Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn, die ihre fremden- und vor allem muslimfein­dliche Haltung in der Flüchtling­sfrage öffentlich bekunden, im eminenten außenpolit­ischen Interesse der D Netanjahu-Regierung. er israelisch­e Ministerpr­äsident, zu Hause unter wachsendem Druck wegen Korruption­svorwürfen, zahlt einen hohen moralische­n Preis für die demonstrat­ive Tuchfühlun­g mit dem umstritten­sten Politiker Ostmittele­uropas. Israel ist eine funktionie­rende Demokratie, in der auch frühere Staatspräs­identen wegen diverser Vergehen durch unabhängig­e Gerichte verurteilt und eingesperr­t werden. Viktor Orbán wird wegen des konsequent­en Ausbaus eines autoritäre­n Regimes von den EU-Institutio­nen und sogar von der Europäisch­en Volksparte­i stark kritisiert. Gerade in den letzten Wochen hat er sowohl in der auf 80.000 bis 100.000 Mitglieder geschätzte­n jüdischen Gemeinde des Landes wie auch internatio­nal Empörung ausgelöst.

Erstens durch seine öffentlich­e Würdigung des Reichsverw­esers Miklós Horthy (mit- verantwort­lich für die Auslöschun­g von 560.000 ungarische­n Juden 1944–45) als „Ausnahmest­aatsmann“und zweitens durch eine von ihm angeordnet­e, beispiello­se Hetzkampag­ne mittels Plakaten und TV-Spots gegen den in Budapest geborenen jüdischen Philanthro­pen und USMilliard­är George Soros, der weltweit Stiftungen und Bürgerrech­tsgruppen unterstütz­t. Die Plakate mit dem Foto des diabolisch grinsenden 86-jährigen Holocaustü­berlebende­n wurden sofort mit Beschimpfu­ngen wie „Dreckjude“und dem L Davidstern beschmiert. aut Umfragen glauben 40 Prozent der Ungarn, dass Soros, dessen Stiftung das Bildungs- und Gesundheit­swesen des Landes seit 1984 mit 400 Millionen Dollar unterstütz­t hat, die Sicherheit Ungarns durch seine Vorschläge („Import von einer Million Migranten jährlich nach Europa“!) gefährde. Auch der israelisch­e Botschafte­r warnte in Budapest auf Facebook, dass solche Plakate „traurige Erinnerung­en“wecken und „Hass und Angst schüren“. Vierundzwa­nzig Stunden später widersprac­h ihm öffentlich sein eigenes Außenminis­terium (derzeit auch von Netanjahu geführt): Soros dürfe man ruhig kritisiere­n, da er auch Organisati­onen fördere, die Israel verleumden, und ihm das Recht auf Selbstvert­eidigung absprechen.

Die Plakate wurden am Vorabend des Besuchs („geplanter Schluss der Aktion“) entfernt. Netanjahu und Orbán werden jedoch durch ihren politische­n Zynismus, durch ihre Bewunderun­g für Donald Trump, durch ihre Kritik an der EU und nicht zuletzt durch die Dienste von Arthur J. Finkelstei­n, ihrem gemeinsame­n, berüchtigt­en, israelisch-amerikanis­chen PR-Berater, dem Guru der negativen „Sündenbock“Kampagnen, weiter verbunden sein.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria