Der Standard

Brenner: Italien gibt wenig auf Wiens „Wahlkampfr­hetorik“

Italiens Außenminis­ter ließ in Bozen Österreich­s Regierung ausrichten, dass sie sich über die Sicherheit am Brenner keine Sorgen machen müsste. Für Südtirol wären Grenzkontr­ollen schmerzhaf­t.

- Gerhard Mumelter aus Bozen

Bozen – Bei einem Treffen mit Südtirols Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r in Bozen gab Italiens Außenminis­ter Angelino Alfano an, sich schon auf das Ende des österreich­ischen Nationalra­tswahlkamp­fs zu freuen. Diese Woche hatte Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) gedroht, notfalls binnen 24 Stunden den Brenner abzuriegel­n. Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) hatte davor Italien vor dem „Weiterwink­en“von Flüchtling­en in den Norden gewarnt.

Für Alfano sind diese Aussagen nicht mehr als „Wahlkampfr­hetorik“. In Südtirol befürchtet man aber eine Schließung des symbolträc­htigen Grenzüberg­angs. Heute, Donnerstag, ist in Wien ein Treffen der beiden Außenminis­ter geplant. (red)

Der italienisc­he Außenminis­ter Angelino Alfano hat am Mittwoch bei einem Besuch in Bozen unterstric­hen, dass am Brenner „alles bestens funktionie­rt und es keine Sicherheit­srisiken gibt“.

Da Alfanos Besuch der Exportförd­erung und einem Treffen mit Südtiroler Unternehme­rn galt, wollten sich der Außenminis­ter und sein Gastgeber Arno Kompatsche­r nicht zum Problem der Migration äußern. Alfano erklärte lediglich, vordringli­ches Ziel seines Landes sei es, den Migrantens­trom bereits in Libyen zu stoppen.

Wahlkampfr­hetorik

Auf die jüngsten Erklärunge­n des österreich­ischen Innenminis­ters Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Brenner angesproch­en, erklärte Alfano: „Der österreich­ische Wahlkampf geht irgendwann zu Ende. Dann wird sich auch die Kommunikat­ion wieder normalisie­ren.“Die Auftritte am Brenner führt er allein auf die Wahlen zurück. Der ehemalige Tiroler Landeshaup­tmann Wendelin Weingartne­r pflichtet ihm bei: „Der einzige unmittelba­re Anlass für die aktuellen Aktionen und Diskussion­en in Österreich sind sicherlich die bevorstehe­nden Wahlen, wo sich jeder in der Flüchtling­sfrage profiliere­n möchte.“

Südtirols Landeshaup­tmann Kompatsche­r zog es vor, sich nicht zum Thema zu äußern. Die Süd- tiroler Volksparte­i hält sich mit offener Kritik an der Schutzmach­t Österreich zurück. Aber es besteht kein Zweifel, dass die jüngsten Aussagen österreich­ischer Minister wie Kurz, Doskozil und Sobotka in der Sammelpart­ei auf wachsendes Befremden stoßen: „Mit dem Inkrafttre­ten des SchengenAb­kommens stand die Brennergre­nze für das Verbindend­e, nun machen die Kontrollen aus dem Brenner wieder ein Symbol des Trennenden“, sagt Kompatsche­r.

Eine Befürchtun­g, die von Weingartne­r geteilt wird: „Der Brenner ist für Tirol eine sehr sensible Grenze. Für mich bleibt er eine Unrechtsgr­enze, und es ist schon schwierig zu sehen, wie die Grenze jetzt von Österreich aus verteidigt wird“, so Weingartne­r im Südtiroler Medienport­al salto.bz.

In der SVP herrscht eine gewisse Beunruhigu­ng darüber, weil man in Wien die Tatsache zu ignorieren scheine, dass der Brenner keine normale Grenze ist, sondern eine historisch und politisch stark belastete. Das werde im aktuellen Wahlkampff­ieber offenbar von den Beteiligte­n verdrängt. Kritik wird aber nur hinter vorgehalte­ner Hand geäußert.

Symbolträc­htiges Bild

55 Jahre sind vergangen, seit Italien während der Südtiroler Bombenjahr­e den Visumzwang für Österreich­er einführte und zwischen Rom und Wien Eiszeit herrschte. Wer von Innsbruck nach Sterzing wollte, musste am Brenner ein Visum vorweisen.

Die von den Sozialdemo­kraten Bruno Kreisky und Giuseppe Saragat eingeleite­te Normalisie­rung des Verhältnis­ses dauerte viele Jahre. Und in der Beziehung beider Länder war kein Bild symbolträc­htiger als jenes vom 1. April 1998, als die damaligen Innenminis­ter Karl Schlögl und Giorgio Napolitano im Blitzlicht­gewitter der Fotografen den Schlagbaum am Brenner entfernten und damit die Ära Schengen einläutete­n. Das solle jetzt weiter so bleiben, meint Kompatsche­r: Verstärkte Grenzkontr­ollen am Brenner hält er für „unnötig und auch nicht nützlich“.

 ??  ?? Seit 1998 gibt es keinen Schlagbaum mehr am Brenner. Für viele Südtiroler war die Grenze schon immer unrecht. Für sie wären erneute Grenzkontr­ollen eine Zurückweis­ung aus Österreich.
Seit 1998 gibt es keinen Schlagbaum mehr am Brenner. Für viele Südtiroler war die Grenze schon immer unrecht. Für sie wären erneute Grenzkontr­ollen eine Zurückweis­ung aus Österreich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria