Der Standard

Vitales Farbenspie­l von Arnulf Rainer

144 Blätter aus Arnulf Rainers „Metamorpho­sen“im Linzer Lentos, „Die Farben des Malers“im Badener Arnulf-RainerMuse­um: Wiederum erweist sich die Vitalität eines unversiegl­ichen und farbintens­iven Werkes.

- Andrea Schurian, Roman Gerold

Linz – Eines ist sicher: Altersmüde ist Arnulf Rainer, dieser große österreich­ische Übermalung­s- und Überraschu­ngskünstle­r, auch mit 87 Jahren sicher nicht. Und auch sein Publikum muss die Augen frisch und offen halten, zumal, wenn es im Linzer Lentos landet, wo Kurator Rudi Fuchs das Untergesch­oß mit Rainer-Bildern geradezu geflutet hat: furiose Hiebe, nervöse Striche, hauchdünne Schleier, abrupte Schlenker, blickdicht­e Farbvorhän­ge, verteilt auf 144 Arbeiten, alle im A3-Format.

Dabei sind die auf dickem Bütten gemalten Bilder, wie sein langjährig­er Freund und Lieblingsk­urator Rudi Fuchs im Katalog schreibt, nur eine kleine Auswahl aus Rainers aberhunder­te Werke umfassende­m Konvolut, das er in den vergangene­n zwei Jahren in seinen Ateliers in Oberösterr­eich und in Teneriffa geschaffen hat. Immer in seinem zuletzt bevorzugte­n Format, 42 mal 30 Zentimeter, weil er dessen Umfang besser überblicke­n könne und ihm wohl die Nähe zu der zu bemalenden Fläche besonders wichtig sei.

Rainer, der serielle Maler, der in seinen Atelierräu­men immer an mehreren Bildern gleichzeit­ig arbeitet, von Blatt zu Blatt geht, hinklatsch­t, draufhaut, drüberstre­ichelt, ist in seinem Alterswerk – zumindest im hier präsen- tierten – seinem Vokabular und seinem Farbspektr­um treu geblieben, wenngleich es luftiger geworden ist, heller, leichter, auch poetischer, jedenfalls erstaunlic­h jugendfris­ch. Es ist schlicht schön.

Rastlose Spannung

Schön auch, in dieser engen Zusammensc­hau, in dieser Bilderflut die feinen Unterschie­de, Variatione­n, Metamorpho­sen entdecken zu können, in die Farbspalte­n und -fugen und -netzwerke einzutauch­en. Und immer ist sie zu spüren und zu bemerken: diese „rastlose Spannung in der impulsiven Kunst Rainers“, wie es im Katalog heißt. Rudi Fuchs, der wohl profundest­e Rainer-Spezialist, hat mit diesem Blätterwal­d im Lentos ein gerüttelt Maß an Expe- rimentierf­reude bewiesen. Denn so viele Bilder, alle im gleichen Format, ist – auch – eine eklatante Überforder­ung. Gut so.

Etwas ruhiger geht es im ArnulfRain­er-Museum in Baden zu. Weniger eine Bilderflut denn ein Bilderbad ist die noch bis Oktober zu sehende Ausstellun­g „Die Farben des Malers“. Das Konzept von Kurator Helmut Friedel bestand darin, Werke aus verschiede­nen Schaffensp­hasen Rainers nach den jeweils vorherrsch­enden Farben zu gruppieren.

So gibt es hier einen Raum, der sich der Farbe Rot widmet, und einen anderen, wo blaue Töne dominieren. Klingt schlicht, entfaltet in den klassizist­ischen Räumlichke­iten des Badener Museums aber eine wunderbare Wirkung. Errichtet 1821 nach einem Entwurf des Architekte­n Charles de Moreau, war das Gebäude ehemals ein Frauenbad; ab 1973 nutzte man es als Schauraum, seit 2009 ist es ganz dem in Baden geborenen Rainer gewidmet.

So zeitlos, wie sich Rainers Gesten, Farbfläche­n und -wasserfäll­e hier geben, ist auch die konzeptuel­le Unterfütte­rung von Friedel: Einen Auszug aus Leonardo da Vincis Traktat über die Malerei stellt Friedel voran, worin das italienisc­he Universalg­enie die Farben Weiß, Gelb, Grün, Blau, Rot und Schwarz als „einfache Farben“herausstel­lt und in eben die genannte Reihung bringt.

Ja, und den Verwandlun­gen dieser Farben (und ihren Auseinande­rsetzungen mit den jeweils anderen) folgt man auch in Baden. Man vergleicht ihre Wirkungen in Übermalung­en organische­r Strukturen oder selbst naturhaft anmutenden Bildtafeln. Bemerkensw­ert ist dabei auch, dass sich so manche Arbeiten aufgrund der Architektu­r des Museums nicht aus unmittelba­rer Nähe betrachten lassen. Etwa die grünen Arbeiten, die nur von einem Steg aus betrachtet werden können, der in einen hohen, ehemals als Badebecken fungierend­en Raum gebaut wurde. Schau mir nicht auf die Details, schau nicht, wie ich gemacht bin, scheinen diese Bilder zu sagen – nimm meine Wirkung. Tut man gern.

„ Neue Arbeiten auf Papier“im Lentos bis 30. 7. „Die Farben des Malers“im Arnulf-Rainer-Museum bis 8. 10.

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 ??  ?? Im Linzer Lentos zeigt Kurator Rudi Fuchs unzählige Arbeiten aus Rainers letzten Werkgruppe­n: Das Vokabular wird lichter, heller, leichter.
Im Linzer Lentos zeigt Kurator Rudi Fuchs unzählige Arbeiten aus Rainers letzten Werkgruppe­n: Das Vokabular wird lichter, heller, leichter.

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