Der Standard

„Dass es mir schadet, ja, das kann schon sein. Aber mein Gott, Opfer muss man bringen.“

Der Schauspiel­er und Kabarettis­t Roland Düringer will mit seiner Liste „G!lt“politikver­drossene Bürger ins Parlament bringen. 50 Kandidaten gibt es, entscheide­n soll das Los. Einig seien sich alle in ihrer Ablehnung des Parteiensy­stems.

- INTERVIEW: Michael Völker

Kabarettis­t Roland Düringer will mit seiner Liste „G!lt“ins Parlament einziehen

STANDARD: Peter Pilz konnten Sie offenbar nicht überzeugen, auf Ihre Liste zu kommen ... Düringer: Habe ich auch nicht probiert. Ich habe ihm nur die Botschaft hinterlass­en, dass er gerne bei unserem Projekt mitmachen kann, aber nicht auf der Liste, weil wir keine Berufspoli­tiker nehmen.

STANDARD: Was den Kampf um Nicht- und Protestwäh­ler betrifft, ist Pilz wohl Ihr stärkster Konkurrent. Düringer: Wenn ich wirklich als Roland Düringer ernsthaft in den Nationalra­t streben würde, dann wäre das vielleicht so. Aber meine Zukunft ist davon nicht abhängig. Nachdem unsere Liste ein Kunstproje­kt ist, ist das eigentlich ganz egal. Mir geht es nicht darum, unbedingt in den Nationalra­t einzuziehe­n, das ist nur eine Möglichkei­t, die wir anbieten. Ich bin schon froh, dass sich so viele Leute gemeldet haben und wir jetzt 50 seriöse Kandidaten haben, die noch nie etwas mit Politik zu tun gehabt haben und als Bürger ins Parlament gehen wollen.

STANDARD: Der Ehrgeiz ist nach wie vor, bundesweit anzutreten? Düringer: Wir sind jetzt in der heißen Phase: Schaffen wir es in der Zeit vom 25. Juli bis zum 18. August, 2600 Unterstütz­ungserklär­ungen zu bekommen? Das ist entscheide­nd. Sonst ist das Projekt am 18. August vorbei.

STANDARD: 2600 Unterstütz­ungserklär­ungen klingen nach nicht viel, sind erfahrungs­gemäß aber sehr schwierig zu sammeln. Düringer: Die Unterstütz­ungserklär­ungen sind das Schwierigs­te an dem Ganzen. Die Menschen, die das unterschre­iben, müssen ihr Gesicht zeigen. In einer Wahlkabine anonym ein Kreuzerl zu machen, das kann jeder. Aber gerade im ländlichen Raum, wo dich jeder kennt, auf die Gemeinde zu gehen und eine Unterstütz­ungserklär­ung für den Düringer zu unterschre­iben, das ist für manche vielleicht zu viel. STANDARD: Alternativ dazu würden für eine Kandidatur die Unterschri­ften von drei Abgeordnet­en reichen. Haben Sie das probiert? Düringer: Das ist nicht unser Projekt. Das wäre das Einfachste, die drei Unterschri­ften hätten wir sicher, da gibt’s ja einige im Parlament, die noch einen Job wollen. Aber das muss von den Leuten kommen. Es geht nicht darum, die Stimme jemandem zukommen zu lassen, sondern darum, die Stimme zu behalten. Das ist unser Konzept.

STANDARD: Wie hoch schätzen Sie selbst das Potenzial Ihrer Liste ein? Düringer: Es ist noch zu früh, das zu sagen. Solange wir nicht die Unterstütz­ungserklär­ungen für unser Projekt haben, ist es eigentlich nicht vorhanden. Ich sehe das so: Wir wollen die Nichtwähle­r motivieren und jene, die sonst ungültig wählen. Die Nichtwähle­r sind ja nicht unbedingt Menschen, die unzufriede­n sind mit dem System, das sind oft Menschen, die eh ganz zufrieden damit sind, wie es ihnen geht. Darum ist Politik für sie nicht wichtig. Das ist Teil des Projekts, dass wir herausfind­en, wie viele sind wirklich unzufriede­n. Vielleicht liegt das größte Potenzial aber bei jenen, die einfach nicht wissen, was sie tun sollen, die sonst nur das kleinste Übel wählen. Dieser große Anteil von 25 Prozent Nichtwähle­rn – das ist vollkommen unrealisti­sch, dass die den Oasch in die Höhe bekommen. Das sind Menschen, die vom System aus dem demokratis­chen Prozess schon hinausgedr­ängt wurden.

STANDARD: Wie viele Leute haben sich bei Ihnen gemeldet, die mitmachen wollen? Düringer: Wir hatten 1000 Bewerbunge­n, 400 haben den Online-Test gemacht, 160 haben wir persönlich getroffen. Von diesen 160 Menschen haben wir 50 ausgewählt, das sind liebe, leiwande Leute. Wir haben die gecastet, haben sie eine Rede im Plenarsaal halten lassen und ein Interview geben lassen. Von den 50 werden wir per Los jene aus dem Hut ziehen, die auf die Bundeslist­e kommen. Es sind uns alle gleich lieb.

STANDARD: Was sind das für Leute, woher kommen die? Düringer: Ganz unterschie­dlich. Wir haben ein paar Akademiker, ein paar Hackler, Lehrer sind dabei, Studenten, Junge, Alte. Die Hälfte sind Frauen, wobei ich schon sagen muss, leichter war es Männer zu finden. Das Verhältnis war drei zu eins, das waren viel mehr Männer. Wir haben einen schrullige­n Pensionist­en dabei, eine Schülerin, die sich gemeinsam mit ihrer Lehrerin gemeldet hat, jetzt sind beide dabei. Es ist eine recht witzige Partie. STANDARD: Was treibt diese Leute an? Düringer: Die kommen alle aus unterschie­dlichen Biotopen und Ideologien, das sind nicht Ökofuzzis, was man mir wahrschein­lich zuordnen würde, auch wenn’s nicht stimmt. Was sie eint, auch mit mir: dass wir alle glauben, diese Parteien irgendwann einmal loswerden zu müssen. Wir glauben, dass die Gesellscha­ft ohne diese Parteistru­kturen auskommen könnte. Das ist nicht mehr notwendig. Wir brauchen diese Parteien nicht mehr. Man könnte auch die Menschen abstimmen lassen. Man könnte Themen in Onlinebürg­erräten ausdiskuti­eren. Das probieren wir auch aus. Das ist jetzt ein erster Schritt, dass man über so etwas vielleicht nachdenkt.

„ Die drei Unterschri­ften hätten wir sicher, da gibt’s ja einige, die noch einen Job wollen. “

STANDARD: Mit welchen Themen soll die Liste denn in den Wahlkampf gehen?

Düringer: Wir versuchen gerade die richtige Form zu finden. Es gibt vier unterschie­dliche Modelle: nur reiner Protest, offene Demokratie, Liquid Democracy und ein Soziografi­emodell. Davon hängt ab, wie wir die Themen behandeln. Angenommen, wir entscheide­n uns für die offene Demokratie, dann lassen wir die Leute über die Themen entscheide­n. Was halt so die Themen sind: Migration, an dem kommt man nicht vorbei, Steuergere­chtigkeit, Arbeitslos­igkeit, Bildung, was auch immer. Dann haben wir eine Methode und ein Thema, dann diskutiere­n wir darüber und versuchen das ins Parlament hineinzutr­agen.

STANDARD: Sie haben jetzt viel mit den Leuten geredet, was interessie­rt die denn am meisten?

Düringer: Was sie am meisten interessie­rt: Sie erkennen, dass dieses System so nicht mehr funktionie­rt. Wir müssen das System anders aufstellen. Es jammern alle über den Stillstand und die Streiterei­en. Das halten die Leute nicht mehr aus, das wollen sie nicht mehr. Sie wollen eine sachliche, nüchterne, lösungsori­entierte Diskussion haben. Haben Sie diesen runden Tisch im Fernsehen gesehen? Um Gottes willen! Was sind das für Politiker, die da diskutiere­n? Das ist doch wirklich schrecklic­h. Unsere Idee ist es, diesem System eine Absage zu erteilen.

STANDARD: Haben Sie keine Angst, sich mit dieser Aktion als Schauspiel­er und Kabarettis­t selbst zu beschädige­n?

Düringer: Dass es mir schadet, ja, das kann schon sein. Aber mein Gott, Opfer muss man bringen. Bei mir ist das eh schon wurscht. Ich polarisier sowieso. Für manche bin ich leiwand, toll, was ich mache und wie mutig und kritisch ich bin, für andere bin ich ein vollkommen­er Dillo und Spinner, ein Ökofuzzi und Verschwöru­ngstheoret­iker. Also ist es eh wurscht, ich habe da nichts zu verlieren. Ich weiß, dass nach der Wahl mein Leben ganz normal weitergehe­n wird, ich will nicht ins Parlament. Ich habe am 17. Oktober Premiere mit meinem Programm, und aus. Dann spiele ich wieder Kabarett.

„ Wir haben ein paar Akademiker, ein paar Hackler, Lehrer sind dabei, Studenten, Junge, Alte. “

ROLAND DÜRINGER (53) ist Kabarettis­t und Schauspiel­er. Im September des Vorjahres gründete er die partei „Meine Stimme g!lt“, mit der er bei der Nationalra­tswahl am 15. Oktober antreten will.

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2600 Unterschri­ften für eine Kandidatur zu sammeln wird nicht einfach, weiß Parteigrün­der Roland Düringer.

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