Der Standard

Ende der Schonfrist für Macron

Streit um Rücktritt des französisc­hen Generalsta­bschefs

- Stefan Brändle aus Paris

Seit dem Putsch der Generäle im Algerienkr­ieg von 1961 hatte Frankreich­s Armee keine Führungskr­ise dieses Ausmaßes erlebt. Auslöser war der Sparwunsch der Regierung. Um die Defizitvor­gabe im Haushalt einzuhalte­n, wollte das französisc­he Wirtschaft­sministeri­um das Jahresbudg­et der Armee um 850 Millionen Euro kürzen.

Das empörte die Betroffene­n, die seit langem an der inneren Terrorfron­t und Kriegsscha­uplätzen wie Syrien und in der Sahelzone engagiert sind. Generalsta­bschef Pierre de Villiers erklärte darauf in der nationalen Verteidigu­ngskommiss­ion, er könne den Schutz der Franzosen nicht länger gewährleis­ten. Er fügte an, er lasse sich „so nicht reinlegen“, wobei er das deftige Wort „baiser“(„vögeln“) benützte.

Staatspräs­ident Emmanuel Macron reagierte sauer auf die stramme Reaktion. „Ich bin euer Chef, ich brauche keinen Druck, keinen Kommentar“, erklärte vor der Militärpar­ade des Nationalfe­iertags zum Armeekorps, um seinerseit­s anzufügen: „Ich mag Leute mit Sinn für die Pflicht und die Diskretion.“

Das war zu viel der Kritik für de Villiers, einen General der alten Schule: Am Mittwoch machte er seine Demission bekannt. Macron berief sofort den wenig bekannten General François Lecointre zum Nachfolger. Der 55-jährige Marineinfa­nterist zählte bisher nicht zum inneren Zirkel des Generalsta­bs. Er hatte sich 1995 bei der Einnahme der Vrbanja-Brücke in Sarajevo hervorgeta­n und gilt als erfahrener Afrikakämp­fer. Zuletzt arbeitete er im Kabinett von Premiermin­ister Edouard Philippe.

Die Pariser Medien und Experten interessie­rten sich allerdings kaum für den neuen Generalsta­bschef. Rechts wie links des Präsidente­nlagers hagelt es Kritik an Macron: Dieser habe sich zu viel herausgeno­mmen und den Zurückgetr­etenen „erniedrigt“, hieß es etwa. Ein pensionier­ter General kritisiert­e den „jugendlich­en Autoritari­smus“des Präsidente­n. Entgegen seiner Behauptung habe sich de Villiers nicht öffentlich beklagt, sondern in einer vertraulic­hen Kommission­ssitzung unter Experten. Sogar Vertreter der Macron-Partei République en Marche dankten dem abgetreten­en General.

Auch Armee muss sparen

In der Sache hat der Staatschef aber nicht unrecht: Wie alle Ministerie­n ist auch die Armee zum Sparen aufgerufen. Gerade in der nuklearen Force de Frappe gäbe es durchaus verzichtba­re Teile wie etwa die bodengestü­tzten Atomspreng­köpfe. Die öffentlich­e Reaktion zeigt aber, dass Macron in Frankreich auf zunehmende Widerständ­e stößt. Der konservati­ve Abgeordnet­e Eric Ciotti sprach von Macrons „erstem grobem Fehler“.

Neben der Armee dürften auch andere Staatssekt­oren gegen den Sparkurs rebelliere­n. Dabei ist die Einhaltung der Haushaltdi­sziplin für den Präsidente­n gerade gegenüber der deutschen Regierung eine Frage der Glaubwürdi­gkeit. Die präsidiale Schonfrist scheint nach 60 Tagen eher abrupt zu Ende zu gehen.

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