Der Standard

Münchner NSU-Prozess im Finale vertagt

Plädoyers beginnen am Dienstag – Noch streiten Verteidigu­ng und Gericht

- Patrick Guyton aus München

Der 374. Verhandlun­gstag im Münchner NSU-Prozess sollte die Schlusseta­ppe einleiten in dem seit mehr als vier Jahren andauernde­n Verfahren gegen die als Rechtsterr­oristin angeklagte Beate Zschäpe und vier mutmaßlich­e Unterstütz­er. Die Beweisaufn­ahme ist geschlosse­n, die Bundesanwa­ltschaft wollte als Anklägerin mit dem Plädoyer beginnen. Die Verlesung sollte 22 Stunden Zeit in Anspruch nehmen.

Doch wie so oft in diesem Prozess über die zehn Morde des Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s (NSU) kommt es anders. Zu Beginn des Verhandlun­gstages, begründete der Vorsitzend­e Richter Manfred Götzl, war ein Antrag der Verteidigu­ng abgelehnt worden. Die Anwälte wollten, dass das Plädoyer der Bundesanwä­lte auf Band aufgenomme­n wird. Götzl lehnte ab, weil er damit die Persönlich­keitsrecht­e der Ankläger verletzt sah. Dazu wiederum wollten die Verteidige­r des mitangekla­gten Rechtsextr­emisten Ralf Wohlleben sowie jene Zschäpes so nicht stehen lassen. So zeichnete sich schnell ab, dass der erste Tag des Finales durch Antragsman­över der Verteidigu­ng blockiert würde und es mit den Plädoyers wohl nichts wird.

Dabei waren einige Angehörige von Mordopfern des mutmaßlich­en NSU-Trios extra angereist. Sie wollten hören, was die Anklage und damit der Staat vor allem Beate Zschäpe vorwirft. Adile Simsek etwa war gekommen, die Witwe des ersten NSU-Opfers Enver Simsek. Er war das erste NSUTerroro­pfer. Am 11. September 2000 war der Blumenhänd­ler an seinem mobilen Stand in Nürnberg niedergesc­hossen worden.

Auch Yvonne Boulgaride­s ist da mit ihren beiden Töchtern. Sie ist die Witwe von Theodorous Boulgaride­s. Der griechisch­stämmige Mann wurde am 15. Juni 2005 in seinem Schlüsseld­ienst-Laden in München ermordet.

Streit vor Gericht

Die Angehörige­n mussten erleben, wie der Wohlleben-Anwalt Olaf Klemke – selbst in der rechten Szene verortet – dozierte, dass die Angeklagte­n das lange mündliche Plädoyer nicht erfassen und nachvollzi­ehen könnten. Zschäpes Alt-Verteidige­r Wolfgang Heer stritt sich mit Richter Götzl, weil er eine „Anschlusse­rklärung“abgeben wollte. Um 15.30 Uhr verkündete Richter Götzl dann: Das Gericht müsse die Einwände der Verteidigu­ng prüfen, der Prozesstag sei beendet. Weiter geht es nicht wie vorgesehen, heute Donnerstag, sondern erst kommenden Dienstag.

In einer Pause sagte Alexander Hoffmann, ein sehr engagierte­r Nebenklage­verteidige­r, draußen vor dem Gerichtsge­bäude, dass es seiner Ansicht nach „recht einfach“wird, die Mittätersc­haft von Beate Zschäpe zu begründen. Sie und die toten NSU-Terroriste­n Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätten, das habe die Beweisaufn­ahme klar ergeben, „immer gemeinsam gehandelt“. Als Mittäterin drohen Zschäpe lebenslang­e Haft sowie die Anerkennun­g der besonderen Schwere der Schuld.

Auch grüne Prominenz ist zu diesem verkorkste­n Prozesstag angereist. Die Bundestags-Vizepräsid­entin Claudia Roth sowie Volker Beck und Christian von Notz finden sich im Gericht ein. Roth spricht davon, dass jetzt und an diesem Ort „ein Teil deutscher Geschichte“geschriebe­n werde.

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Die mutmaßlich­e Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe mit ihrem Anwalt Hermann Borchert. Richter Manfred Götzl vertagte auf Dienstag.

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