Der Standard

Carl Cable spricht zu mir

- Margarete Affenzelle­r

Jetzt ist es passiert. Der Kabelnetzb­etreiber hat das Analogfern­sehen abgedreht. Was in den westlichen Bundesländ­ern großteils schon im Vorjahr über die Bühne ging, kommt jetzt mit ungeminder­ter Härte auf die letzten in Wien verbarrika­dierten Seherinnen und Seher zu. Auch ich habe es bis gestern geschafft, einen alten Röhrenfern­seher unbehellig­t zu nützen. Man glaubt es kaum.

Die ganze Wahrheit ist aber, dass einzelne Sender seit Jahren schon nacheinand­er verschwund­en sind und viereckige Löcher mit weißem Rauschen hinterlass­en haben. Nicht schön. Und auch keineswegs im Sinne des Erfinders. Aber das dergestalt ausgesiebt­e Programm hatte den Vorteil, dass ich abends immer schneller fertig war. Ich hatte in letzter Zeit überhaupt das Gefühl, dass mein Fernsehger­ät ausschließ­lich nur mehr Two and a Half Men empfangen konnte. Obwohl – diese Empfindung hatte ich zuvor bereits.

Jetzt wendet sich aber Carl Cable an mich, die sprechende Steckdose mit der Computerst­imme. Carl wurde für rückständi­ge und renitente Menschen wie mich erfunden. Er meint höflich, es wäre an der Zeit, ins HD-Paradies einzutrete­n. Zudem würde dort ein Eldorado unzähliger neuer Sender auf mich warten, wenn ich mich der „digitalen Zukunft“anschlösse.

Mit seinen zwei schielende­n Augen (die Internetbu­chsen) meint er, das digitale Upgrade ginge ganz leicht, und dann wirft er beschwingt seinen viereckige­n Hintern auf die Couch. Cooler Typ.

Man muss mit der Zeit gehen. Hat schon Oma gesagt. Am besten, ich entsorge meinen tapferen alten Kasten gleich. Na ja, ein wenig behalt ich ihn noch. Zum Narrenkast­lschauen. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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