Polens Justizreform nahm nächste Hürde
Ein Gesetz, das das Oberste Gericht in Warschau künftig vermehrt unter den Einfluss der Politik stellen soll, wurde am Donnerstag im Sejm abgenickt. Die Justizreform der nationalkonservativen Regierung geht damit in die Zielgerade.
Warschau/Wien – Trotz anhaltender Proteste in Polen und seitens der Europäischen Kommission hat das Unterhaus des polnischen Parlaments am Donnerstag einer umstrittenen Neuregelung des Obersten Gerichts zugestimmt. Das Gesetz muss nun noch den Senat passieren. Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verfügt in beiden Kammern über eine Mehrheit.
Auch Staatspräsident Andrzej Duda, der ebenfalls aus den Reihen der PiS stammt, muss das Gesetz noch unterschreiben, bevor es in Kraft treten kann. Am Dienstag hatte Duda mit einem Veto gedroht, sollte eine bereits vergangene Woche beschlossene Vorlage über die Besetzung des Landesjustizrats nicht geändert werden. Die PiS hat dazu bereits ihre Zustimmung signalisiert.
Die Europäische Kommission hatte am Mittwoch den Druck auf Warschau erhöht und Polen wegen der Justizreform mit Sanktionen gedroht. PiS-Chef Jarosław Kaczyński wies die Kritik zurück. Bei der Debatte handle es sich um eine rein innenpolitische Angelegenheit, sagte Kaczyński dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP. Die Stellungnahmen Brüssels be- zeichnete Kaczyński als „politisch motivierte Aktion“.
Ähnlich äußerte sich das polnische Außenministerium: Das beanstandete Gesetzgebungsverfahren sei noch gar nicht abgeschlossen, dennoch wolle sich die EU einmischen. Die Kritik sei „voreilig“und „ungerechtfertigt“.
Die Nationalkonservativen machen insbesondere Frans Timmermans, den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, zum Ziel ihrer Kritik. Es gebe keinen Platz für dessen „persönliche Mission“, hieß es. Timmermans hatte sich bereits in der Vergangenheit teils heftige Wortgefechte mit Vertretern Polens geliefert, darunter mit Außenminister Witold Waszczykowski.
Dabei ging es vor allem um die Reform des polnischen Verfassungsgerichts, wegen der die EU-Kommission schon im Jänner 2016 ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet hatte. Im aktuellen Streit geht es um ein Gesetz zur Neuregelung des polnischen Landesjustizrats, der für die Auswahl von Richtern zuständig ist, sowie um die Besetzung von Richterposten am Obersten Gericht.
In allen genannten Fällen wirft die Kommission der Regierung in Warschau vor, Einfluss auf die Justiz nehmen zu wollen und dadurch die Gewaltenteilung im Land zu untergraben. Auch in Polen selbst gab und gibt es heftige Proteste gegen diese Pläne.
Warten auf EU-Kommission
Nächste Woche will die EUKommission erneut über Polen beraten. Ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau gilt als wahrscheinlich. Theoretisch ist auch die offizielle Einleitung eines Rechtsstaatlichkeitsverfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrags möglich. An dessen Ende könnte sogar der Stimm- rechtszentzug im Rat stehen. Das dürfte jedoch am Widerstand der ebenfalls nationalkonservativen Regierung Ungarns scheitern – deren Außenminister Péter Szijjártó bekräftigte am Donnerstag, sein Land stehe zu Polen. Die Kommission solle ihre Kompetenzen nicht überschreiten. EU-Justizkommissarin Věra Jourová hatte zuvor einen Entzug von Fördergeldern ins Spiel gebracht. Es könne nicht sein, dass durch Steuergelder der anderen EU-Staaten „die Errichtung einer Art von Diktatur“finanziert werde, sagte die Tschechin zur Neuen Osnabrücker Zeitung.
Präsident Andrzej Duda hat indes ein Treffen mit dem aus Polen stammenden EU-Ratspräsidenten Donald Tusk zu Gesprächen über die Justizreform abgelehnt. Laut Auskunft seines außenpolitischen Beraters Krzysztof Szczerski gäbe es „keine Grundlage dafür, dass der Chef des Europäischen Rates interveniert“.