Der Standard

Antisemiti­smus: Keine Konsequenz­en für Hübner

Die Rücktritts­forderunge­n gehen ins Leere: Die FPÖ erteilt Johannes Hübner die Absolution – weil hinter seinen Aussagen keine antisemiti­schen Motive steckten. Es bleibt bei einer Mahnung zu mehr Vorsicht.

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Wien – Nach einem Tag Bedenkzeit hat die FPÖ offiziell auf die antisemiti­schen Anspielung­en ihres Abgeordnet­en Johannes Hübner reagiert. Er habe „aufgrund der Medienberi­chte über angebliche NS-Codes beziehungs­weise antisemiti­sche Äußerungen“ein persönlich­es Gespräch mit dem Mandatar geführt, ließ Generalsek­retär Herbert Kickl in einem schriftlic­hen Statement wissen.

Hübner habe dabei „glaubhaft versichert, dass jedweder Vorwurf in Richtung einer antisemiti­schen Intention“nicht den Tatsachen entspreche. Er habe aber versproche­n, „künftig bei seiner Wortwahl mit besonderer Vorsicht vorzugehen, um selbst die Möglichkei­t von Missinterp­retationen weitestgeh­end zu vermeiden“, berichtet Kickl. Für die FPÖ, sagt er, sei die Sache damit erledigt.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen reagiert dagegen bestürzt auf die Äußerungen des FPÖ-Abgeordnet­en: „Mit Antisemiti­smus zu spielen, von dem jeder wissen muss, wohin er geführt hat, ist in höchstem Maße verantwort­ungslos“, sagte Van der Bellen zum Kurier. Außenminis­ter und ÖVP-Chef Sebastian Kurz hält Hübners Feststellu­ngen für „inakzeptab­el“: „In Österreich darf es keinen Platz für Antisemiti­smus geben.“

Auslöser der Diskussion war ein Artikel des STANDARD, der über einen Auftritt Hübners bei einem Rechtsextr­emenkongre­ss in Thüringen im Juni 2016 berichtete. Vor Publikum hatte der außenpolit­ische Sprecher der FPÖ eine aus den 1930er-Jahren stammende Verunglimp­fung des Verfassung­srechtlers Hans Kelsen als „Hans Kohn“– ein weitverbre­ite- ter jüdischer Nachname – verwendet. Auch über Bundeskanz­ler und SPÖ-Chef Christian Kern hatte der Parlamenta­rier Einschlägi­ges mitzuteile­n: dass dieser Friedrich-Torberg-Preisträge­r der Israelitis­chen Kultusgeme­inde in Wien ist und „exzellente­st vernetzt in der Logenszene“sei.

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitis­chen Kultusgeme­inde, hatte daraufhin Hübners Abgang gefordert: „Wenn es die FPÖ ernst meint, dass sie sich vom Antise- mitismus verabschie­det hat, dann wäre es ein Gebot, Hübner aus der Partei auszuschli­eßen.“

Auch Kern selbst reagierte. „Diese Mischung aus Antisemiti­smus und Verfolgung­swahn ist absolut jenseitig und völlig inakzeptab­el“, kommentier­te der Kanzler: Um dieses Verhalten zu bewerten, müsse die SPÖ nicht lange ihren neuen Wertekompa­ss bemühen. Auf seine Friedrich-Torberg-Medaille sei er ebenso stolz wie auf seine „Logenkonta­kte“in Thea- tern und Opernhäuse­rn. Kickl kontert nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigu­ng“. Sollte die Debatte über Hübner nun weitergetr­ieben werden, dann werde jedem klar, dass es sich um eine von langer Hand geplante Negativkam­pagne der in den Seilen hängenden SPÖ handle, meint er. Es passe nicht zusammen, dass Kern einen Wertekompa­ss erstelle und gleichzeit­ig einen „Experten für Negativcam­paigning“– gemeint ist offenbar der aus Israel stammende Kanzlerber­ater Tal Silberstei­n – einsetze.

Doppelung

Empörend findet der Grüne Harald Walser diese Ausführung­en. Kickls Freispruch für Hübner, um Silberstei­n als wahren Schuldigen auszumache­n, richte sich von selbst, sagt der Abgeordnet­e: „Das ist nicht nur eine Leugnung der Zitate, die keinen wie auch immer gearteten Interpreta­tionsspiel­raum offenlasse­n, sondern im Grunde auch noch eine Doppelung des blauen Antisemiti­smus.“Der Audiomitsc­hnitt, der auch dem STANDARD vorliegt, sei eindeutig: „Wer das nicht als antisemiti­sch interpreti­ert, sollte ganz schnell Nachhilfe nehmen und vor allem aus der Politik verschwind­en.“

Der Dritte Nationalra­tspräsiden­t und FPÖ-Vizechef Norbert Hofer sagte zum Standard: „Mir ist das nicht egal.“Als österreich­ischer Politiker müsse man mit „Aussagen in diese Richtung“besonders vorsichtig sein, das gelte gerade für Vertreter der Freiheitli­chen Partei. Da er selbst derzeit aber im Ausland weile, könne er den Sachverhal­t nicht wirklich bewerten. (jo)

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Der FPÖ-Abgeordnet­e Johannes Hübner, hier bei einem Prozess als Anwalt von Parteichef Strache, bleibt trotz Rücktritts­forderunge­n ungeschore­n: Die Partei belässt es bei einer Mahnung zur Vorsicht.

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