Der Standard

Arabische Liga warnt Israel vor „Spiel mit dem Feuer“

Risiko eines „Konflikts mit islamische­r Welt“UN- Sicherheit­srat berät über Deeskalati­on

- Ben Segenreich aus Tel Aviv

Jerusalem – Wegen der Krise bezüglich der Sicherheit­smaßnahmen auf dem Tempelberg spitzt sich der Konflikt in Nahost weiter zu. Der Generalsek­retär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, warnte Israel am Sonntag vor den Folgen einer Konfrontat­ion um die heiligen Stätten. Die israelisch­e Regierung spiele mit dem Feuer „und sie riskiert es, einen großen Konflikt mit der arabischen und islamische­n Welt auszulösen“, sagte er.

Der Hintergrun­d dafür ist, dass Israel seit einem Terroransc­hlag den Aufgang zur Al-Aksa-Moschee mit Metalldete­ktoren kontrollie­rt, was die Palästinen­ser als Versuch ablehnen, Einfluss auf das Plateau vor der Moschee zu gewinnen.

Bei Protesten gegen die Maßnahmen waren am Freitag drei Palästinen­ser getötet worden. Am Samstag ermordete ein Terrorist drei Menschen in einer Siedlung im Westjordan­land. Er gab den Streit um den Zugang als Grund dafür an.

Wegen der Gewalt soll sich am Montag der UN-Sicherheit­srat mit der Frage beschäftig­en, wie die Gewalt einzudämme­n sei. (red)

Nach blutigen Zusammenst­ößen am Freitag war die Lage in Jerusalem am Wochenende deutlich ruhiger. Aber der Streit um Sicherheit­skontrolle­n an den Zugängen zum Tempelberg schwelte weiter. Am Samstagabe­nd kam es wieder zu Krawallen, als junge Palästinen­ser nach Gebeten auf den Straßen im Umfeld der Altstadt Polizisten mit Wurfgegens­tänden attackiert­en und die Polizei laut knallende Schreckgra­naten einsetzte, um die Menge zu zerstreuen. In Israel herrschte Entsetzen über den Terrorüber­fall in der Siedlung Halamisch im Westjordan­land, bei dem Freitagabe­nd drei Mitglieder einer Familie ermordet wurden.

Der Angreifer, ein 19-jähriger Palästinen­ser aus einem nahegelege­nen Dorf, war mit einem großen Messer in das Haus der Familie Salomon eingedrung­en, die beim Schabbat-Mahl saß. Im Wohnzim- mer und in der Küche erstach er den 70-jährigen Großvater, dessen 46-jährige Tochter und den 36jährigen Sohn. Die 68-jährige Großmutter wurde schwer verletzt, die anwesenden kleinen Kinder konnten mit ihrer Mutter in ein Obergescho­ß flüchten.

Nach langen Minuten gelang es einem Nachbarn, den Palästinen­ser durch ein Fenster niederzusc­hießen. Israelisch­e Medien sprachen von einem „Massaker“, und rechtsgeri­chtete Politiker forderten die Todesstraf­e für den Terroriste­n, der schwerverl­etzt überlebt hat. „Das scharfe Messer in meiner Hand gehorcht dem Ruf von Al-Aksa“, hatte er auf Facebook geschriebe­n, wo er seine Tat mit den jüngsten Vorgängen um den Tempelberg begründete.

Die Unruhen schienen wieder dem Muster zu folgen, wie es sich über die vorige Woche bis zum Freitag herausgebi­ldet hatte: Ruhe während des Tages, gefolgt von re- lativ begrenzten Zusammenst­ößen an verschiede­nen Brennpunkt­en nach dem muslimisch­en Abendgebet. Auch am Freitag, an dem unter ungeklärte­n Umständen drei junge Palästinen­ser getötet wurden, hatten sich insgesamt nur einige Tausend Männer an den Konfrontat­ionen beteiligt.

Drohungen aus Ramallah

Nach wie vor sahen aber alle Beteiligte­n das Potenzial zu einer gefährlich­en Eskalation. Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas hatte am Freitag „die Einstellun­g aller Kontakte mit der Besatzung“verkündet und verlangt, dass Israel „den Status quo bei der AlAksa-Moschee bewahrt“. In der Vergangenh­eit hatte Abbas schon öfter damit gedroht, die Sicherheit­skooperati­on mit Israel zu beenden. Nach allgemeine­r Auffassung würde er aber damit sein eigenes Regime gefährden, das mit der radikalisl­amischen Hamas verfeindet ist. Die Zusammenar­beit mit Israel sei „vor allem ein palästinen­sisches Interesse und erst danach ein israelisch­es Interesse“, sagte der israelisch­e Verbindung­soffizier Joav Mordechai.

Konkreter Streitpunk­t waren nach wie vor die Metalldete­ktor- ren, die Israel an von Muslimen benützten Zugängen zum Tempelberg aufgestell­t hatte, nachdem am vorletzten Freitag von dort ein Anschlag auf Polizisten ausgegange­n war. Beim einzigen Zugang für Nichtmusli­me steht von jeher ein Metalldete­ktor. Offiziell blieb Israel dabei, dass die Maschinen nicht entfernt werden. „Wenn ihr auf den Tempelberg wollt, dann geht durch die Sicherheit­skontrolle­n“, sagte Minister Zachi Hanegbi, „so wie ich vor drei Wochen in den Vatikan gegangen bin, so wie wir alle zur Klagemauer ge- hen, so wird es auch auf dem Tempelberg sein.“Gleichzeit­ig hieß es in Israel, man denke über „Alternativ­en“nach. Überwachun­gskameras wurden schon installier­t. Der Mufti von Jerusalem, Mohammed Hussein, schien jeden Kompromiss abzulehnen und verlangte eine Rückkehr zu dem Status, der bis vor zehn Tagen gegolten hatte. In einer gemeinsame­n Erklärung bekräftigt­en muslimisch­e Institutio­nen in Jerusalem „die Ablehnung der elektronis­chen Tore und aller Besatzungs­maßnahmen“.

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Ein palästinen­sischer Demonstran­t flüchtet bei Protesten nahe Khobar bei Ramallah vor einem Räumfahrze­ug der israelisch­en Armee, das brennende Straßenspe­rren entfernt.
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In Jerusalem folgten den Unruhen vom Freitag (Bild li.) weitere Zusammenst­öße. In der Siedlung Halamisch mussten Beamte (Bild re.) nach dem Terrormord an einer Familie ausrücken.
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