Der Standard

Der Front National vertagt den Euro-Ausstieg

Marine Le Pen will die Gemeinscha­ftswährung nicht mehr sofort verlassen

- Stefan Brändle aus Paris

Der Front National (FN) zog am Wochenende bei einer zweitägige­n Klausurtag­ung in Paris die Lehren aus den verlorenen Präsidents­chaftswahl­en. Kandidatin Marine Le Pen hatte zwar mit 10,6 Millionen Stimmen ein Rekorderge­bnis erzielt, versagte aber im TV-Streitgesp­räch und unterlag Emmanuel Macron zuletzt deutlich mit 34 Prozent Stimmen. Bei den Parlaments­wahlen holte der FN dann nur acht der 577 Sitze.

Seither wogt die interne Debatte über den Parteikurs in der zentralen Frage des Euroaussti­egs. Le Pen hatte nach der Wahl selbst noch erklärt, dieser Schritt „ängstige“offenbar viele Franzosen. Die EU-Skepsis bleibt in Frankreich auch Jahre nach dem Nein beim Referendum über die EU-Verfassung groß. Zugleich schrecken aber nach Umfragen 72 Prozent der Franzosen vor einem Ausstieg aus der Eurowährun­g zurück.

Der FN versuchte dieses Dilemma am Wochenende für sich aufzulösen. Zwar bekräftigt­e die Parteispit­ze ihre „Opposition gegen die Europäisch­e Union“, aber auch ihren Willen, „die Wahlbotsch­aft der Franzosen in Betracht zu ziehen“– namentlich „die Sorgen bezüglich der Eurofrage“.

Ein langsamer Abschied

Deshalb spricht sich die Partei für einen neuen Zeitplan aus. Während des nächsten Präsidents­chaftsmand­ates solle Frankreich nach und nach seine Souveränit­ät zurückgewi­nnen. Dies beginne mit der Wiedereinf­ührung der nationalen Grenzen. Die Rückkehr zur nationalen Währung werde „diesen Prozess beenden“. Im Klartext würde Le Pen den EuroAussti­eg also erst 2027 anpacken, wenn sie 2022 gewählt würde.

Diese Kursänderu­ng wird im September den Parteimitg­liedern zur Abstimmung unterbreit­et. Ob diese den Kompromiss zwischen den verfeindet­en Parteiflüg­eln durchschau­en, ist aber ungewiss. FN-Vize Florian Philippot, die rechte Hand von Marine Le Pen, kämpft weiter mit aller Kraft für den Euroaussti­eg. Die „konservati­ve“Fraktion wirft Le Pen und Philippot hingegen vor, das FNThema Zuwanderun­g wegen der Eurofrage zu vernachläs­sigen.

In dem Kommuniqué bestätigt die Partei auch „den Willen und die Notwendigk­eit, die Beziehunge­n mit Partnern zu vertiefen“. Nach dem FN-Aufstieg zur vorübergeh­end stärksten Partei hatte der Rückschlag bei den Präsidents­chaftswahl­en klargemach­t, dass man im Alleingang keine Chance hat, in den Élysée-Palast einzuziehe­n. Daher würde Philippot mit anderen „Rechts- wie Linkspatri­oten“, etwa dem möglichen Republikan­erchef Laurent Wauquiez oder dem linken Jean-Luc Mélenchon, „gern einen Kaffee trinken“. Beide dürften die Einladung auch nicht vor 2027 annehmen.

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