Der Standard

Erdogan zeigt sich unbeeindru­ckt vom Streit mit Berlin

U-Haft für weitere zwei Menschenre­chtler

- Markus Bernath

Ankara/Athen – Er ist viel zu abgebrüht, als dass ihn selbst ein ernster Konflikt mit dem wichtigste­n Partner in Europa aus dem Tritt brächte: Tayyip Erdogan hat sich verbeten, was er als Einmischun­g Deutschlan­ds in die Angelegenh­eiten seiner Türkei sieht. Dafür rief der türkische Staats- und Parteichef die deutsche Regierung erst einmal zur Räson auf. „Also bitte, wir sind doch zusammen in der Nato. Unser Staat ist ein EUBeitritt­skandidat“, sagte ein dieses Mal ruhig auftretend­er Erdogan am Sonntag auf dem Flughafen in Ankara vor seiner Abreise in den Golf. „Es sollten keine Schritte unternomme­n werden, die diese Partnersch­aft überschatt­en“, so mahnte er.

Da hatte die türkische Justiz gerade ihre frühere Entscheidu­ng verworfen und zwei weitere Menschenre­chtler doch in Untersuchu­ngshaft genommen. Die U-Haft kann in der Türkei bis zu fünf Jahren dauern. Acht der zehn Menschenre­chtler, die Anfang Juli an einem Workshop auf einer der Prinzenins­eln vor Istanbul teilgenomm­en hatten, sind damit in Haft. Unter ihnen sind seit Dienstag vergangene­r Woche die Direktorin von Amnesty Internatio­nal in der Türkei, Idil Eser, und Peter Steudtner, ein deutscher Menschenre­chtler und IT-Experte. Das war der Punkt, an dem der deutschen Regierung der Geduldsfad­en riss.

Ausländisc­he „Provokateu­re“

Erdogan spricht bei seiner kurzen Pressekonf­erenz auf dem Flughafen am Sonntag von Leuten, die in der Türkei als „ajan provokatör“arbeiten, also als Spitzel, die im Dienst ausländisc­her Staaten oder Geheimdien­ste die Bevölkerun­g zu subversive­n Tätigkeite­n veranlasse­n. Die Gerichte in der Türkei würden ihre Arbeit tun, die deutsche Regierung jedoch versuche aus innenpolit­ischen Gründen wegen der kommenden Wahl über die Häftlinge zu verhandeln.

Vor einem Strafgeric­ht in Istanbul beginnt heute, Montag, zudem der Prozess gegen 17 Journalist­en der Tageszeitu­ng Cumhuriyet. Eine Vielzahl internatio­naler Beobachter hat sich angesagt.

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