Der Standard

Asyl: Umverteilu­ng findet nicht statt

Für Hans Peter Doskozil war das Programm zur Umverteilu­ng von Flüchtling­en Grund genug, um der EU mit Vertragsbr­uch zu drohen. Allerdings: Bis heute kam kein Flüchtling über diese Schiene nach Österreich.

- Günther Oswald

Wien – Das Thema sorgte in Österreich für einen schweren Koalitions­streit, der Kanzler schaltete sogar EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker ein. Die Rede ist vom Streit um das sogenannte Flüchtling­s-Relocation-Programm der Europäisch­en Union, der im März und Anfang April tagelang die Innenpolit­ik beherrscht­e.

Zur Erinnerung, worum es dabei ging: Die EU-Mitgliedss­taaten haben Italien und Griechenla­nd im September 2015 zugesagt, gut 98.000 Flüchtling­e abzunehmen. Österreich müsste laut dem Umverteilu­ngsplan 1491 Flüchtling­e aus Griechenla­nd und 462 aus Italien übernehmen. Eine Ausnahmere­gelung für Wien lief im März aus, in einem ersten Schritt hätten 50 unbegleite­te Minderjähr­ige überstellt werden soll.

Da Österreich aber noch immer vergleichs­weise hohe Asylantrag­szahlen aufweist, drohte Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) damit, aus dem Programm auszusteig­en, was ihm prompt Kritik von Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) wegen Vertragsbr­üchigkeit einbrachte. Auch Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl zeigte wenig Verständni­s für die Diskussion: „Die 50 nehm ich sofort in Ottakring“, richtete er seinem burgenländ­ischen Parteikoll­egen aus.

Es war schließlic­h an Kanzler Christian Kern, die Linie seines Verteidigu­ngsministe­rs zu korrigiere­n und den Koalitions­frieden wiederherz­ustellen. Nach einem Schriftver­kehr mit Juncker, in dem dieser deponierte, es könne keine weitere Ausnahme mehr geben, machte der SPÖ-Chef klar, dass Österreich seinen vertraglic­hen Verpflicht­ungen nachkommen werde.

Nur wenige Namen

Nun, mehr als drei Monate später, ist aber noch immer kein einziger Flüchtling über dieses Relocation-Programm nach Österreich gekommen, wie dem STANDARD im Innenminis­terium bestätigt wurde. Vom ersten Kontingent von 50 Personen hätten die italienisc­hen Behörden erst für rund die Hälfte Namen bekanntgeg­eben. Für diese Personen sei nun der gemeinsame Verfahrens­ablauf durch die italienisc­hen und österreich­ischen Behörden eingeleite­t worden. „Wir gehen davon aus, dass die Ersten in absehbarer Zeit nach Österreich kommen werden“, sagt ein Ressortspr­echer.

Warum es so schwierig ist, Kandidaten zu finden, wo doch allein heuer mehr als 93.000 Flüchtling­e in Italien angekommen sind? Das liegt vor allem an der Konstrukti­on des Programms. Laut EU-Ratsbeschl­uss vom September 2015 sollen nur Flüchtling­e umverteilt werden, die aus Staaten mit mindestens 75-prozentige­r Asylzuerke­nnungsquot­e kommen. Basis dafür sollen Daten des EU-Statistika­mts Eurostat sein.

In Italien kommen derzeit aber vor allem Menschen aus Nigeria, Guinea, Cote d’Ivoire (Elfenbeink­üste), Bangladesc­h und Gambia an, die häufig kein Asyl bekommen. Nicht zuletzt deshalb drängen die Italiener auf Hilfe von den anderen EU-Staaten.

Das Relocation-Programm, das hierzuland­e für große Aufregung sorgte, spiele daher für die Italiener kaum eine Rolle, weil sie dadurch nicht wirklich entlastet werden, betont man in Ministeriu­mskreisen. Allzu viele Menschen werden wohl auch nicht mehr über diese Schiene nach Österreich kommen. Das Programm gilt nämlich nur für zwei Jahre, läuft also im Herbst des aktuellen Jahres bereits wieder aus.

Über andere Wege kommen freilich nach wie vor Flüchtling­e nach Österreich. Wie berichtet wurden im ersten Halbjahr 12.490 Asylanträg­e gezählt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das zwar einen Rückgang um gut 50 Prozent, die Antragszah­len liegen aber noch immer über dem langjährig­en Schnitt. Die von der Regierung definierte Obergrenze von 35.000 Anträgen dürfte aber bei gleichblei­bender Entwicklun­g deutlich unterschri­tten werden.

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Nur wenige der in Italien ankommende­n Flüchtling­e sind für das EU-Umverteilu­ngsprogram­m geeignet.

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