Der Standard

Farbenspie­le des Glaubens

Start der „Ouverture spirituell­e“bei den Festspiele­n mit Ligeti und Messiaen

- Ljubiša Tošić

Salzburg – Es ist womöglich auch ein Zeichen gelassener Distanz zu alten Salzburger Konflikten, die Neuerungen eines nur bedingt geschätzte­n Vorvorgäng­ers im eigenen Konzept zu halten. So existiert die „Ouverture spirituell­e“der Festspiele auch unter der neuen Intendanz von Markus Hinterhäus­er weiter. Begann diese einst – unter ihrem Erfinder Alexander Pereira – gern mit Haydns Schöpfung, taucht sie der Neue nun ins Licht klassische­r Modernität.

Das ist zweifellos ein Statement. Auch einem ausschließ­lich dem Zeitgenöss­ischen zugetanen Festival (wie etwa Wien Modern) stünde es gut zu Gesicht, mit Ligeti und Messiaen zu starten. Das Programman­gebot will offenbar eine sanfte Herausford­erung darstellen. Definieren sich Festspiele generell als temporäres Heraustret­en aus dem Alltäglich­en, sind sie hier also womöglich verstärkt ein konzentrie­rtes Eintauchen in Bereiche des Komplexen abseits des obligaten Konzertall­tags.

György Ligetis eröffnende­s Lux aeterna für 16-stimmigen gemischten Chor ist in der Felsenreit­schule allerdings nicht gut auf- gehoben; es tönt an der Grenze seiner Wirkungsmö­glichkeit. Das filigrane vokale Liniengefl­echt, das sich mikropolyf­on zum klangsinnl­ichen Ganzen fügt, entfaltet auch in der tadellosen Umsetzung durch den Chor des Bayerische­n Rundfunks unter der Leitung von Dirigent Kent Nagano seine Charakter nur bedingt.

Diskret bis unscheinba­r

Da fehlt doch Unmittelba­rkeit. Zu diskret entfaltet sich die Aura dieser vornehmlic­h im Pianissimo dahinschwe­benden flächigen Besonderhe­it von 1966, die in Stanley Kubricks Streifen 2001: Odyssee im Weltraum Eingang fand. Olivier Messiaens monumental­e Transfigur­ation de Notre Seigneur Jésus-Christ für Soli, Chor und Orchester ist da räumlich sinnvoller aufgehoben. Das oratorisch­e Farbenspie­l der Verklärung (mit zwei siebenteil­igen Blöcken) aktiviert ein überborden­des, mitunter auch intimes Ausdruckss­pektrum.

Das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks ist jedoch großzügig besetzt. Es setzt perkussive Signalzeic­hen, wie es auch für opulenten Klanzauber sorgt. Nebst rezitativi­sch angelegten Chorpassag­en wirken auch jene motivisch prägnanten Interventi­onen durch den Pianisten PierreLaur­ent Aimard in ihrer exakten Wucht sehr impulsiv.

Wie Aimard ist auch Kent Nagano mit Messiaen eng verbunden gewesen – er hat etwa die Uraufführu­ng der Oper Saint François d’Assise geleitet. Durch die behutsam-gelassene Art, diese blockhaft anmutenden Strukturen zu organisier­en, deren innere Bewegungen etwas von Musiklava haben, erstrahlte das riesenhaft­e Opus im Lichte der Intensität wie der Ausgewogen­heit. Es folgte tatsächlic­h frenetisch­er Applaus. „Ouverture spirituell­e“am Montag in der Kollegienk­irche: The Tallis Scholars mit dem Klangforum Wien, 21.00

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Foto: Tony Gentile Ideal für die Kunst von Messiaen: Dirigent Kent Nagano.

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