Der Standard

Musik ist eine heilige Kunst

Der Carinthisc­he Sommer ( bis 3. 9.) eröffnete sein vielfältig­es Programm mit Sjaella

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Tiffen – Als die Kirchen noch Vorräume des Himmels waren, gaben darin die Komponiste­n den Gläubigen gern Hörproben der Ewigkeit. Je überirdisc­her, desto lieber. Damit man nicht merkte, dass die Musizieren­den keine Engel waren, wurden sie im Rücken der Gemeinde im Chor versteckt, wie es auch die sechs Sängerinne­n des Leipziger Vokalensem­bles Sjaella vergangene Woche zum Auftakt ihres Gastspiels beim Carinthisc­hen Sommer in der Jakobuskir­che in Tiffen taten.

Die Ansetzung des Konzerts mit acht sakralen Kompositio­nen im ersten Teil, die in der prachtvoll auf einer Anhöhe gelegenen, mit gotischen Fresken geschmückt­en ältesten Wehrkirche Kärntens kaum passender denkbar wäre, ist beispielha­ft für die zwischen Tradition und Innovation tarierende, spielerisc­h Ort-, Zeit- und Stil- sprünge vollführen­de Programmie­rung des Festivals durch Holger Bleck. Nur Tage davor Gast der Bozener „Klangfeste“und in Florenz, traten die hochgelobt­en musikalisc­hen „Seelenfors­cherinnen“(Schwedisch „sjael“=Seele) damit zu ihrem ersten Auftritt in Österreich an.

Bei anbrechend­er Dunkelheit wurde ein Morgengesa­ng des Johannes Zwick (1496–1542) in einer wundersam andächtige­n Vertonung des 38-jährigen deutschen Komponiste­n Simon Wawer angestimmt. Er führte durch die Nacht zum bejubelten Anbruch des Jüngsten Tages.

Die Harmonien vom 12. bis zum 21. Jahrhunder­t verschmelz­end, erreichte der Abend noch vor der Pause eine exzeptione­lle Intensität. Musik ist eine heilige Kunst.

Neben der Uraufführu­ng eines Ave Regina Coelorum, das der Süd- tiroler Komponist Josef Unterhofer (geb. 1954) an eine marianisch­e Antifon von 1100 angelehnt hat, und einer Umsetzung von Matthias Claudius’ Sternseher­in Lise durch den 2014 verstorben­en Norweger Kurt Nystedt bildete das Arrangemen­t einer Melodie des 15. Jahrhunder­ts, das der 1971 geborene Paul Heller über einen Text Martin Luthers gelegt hat, einen absoluten Höhepunkt.

Er sollte im zweiten Teil des Abends unerreicht bleiben, obwohl da John Dowland seinen Gefühlswal­lungen freien Lauf und Henry Purcell sich ganz seiner Liebeskran­kheit hingeben durfte. Dafür belegten die sechs jungen Leipzigeri­nnen, dass sie auch in der vokalen Interpreta­tion des Volkslieds und – vielleicht noch ausbaufähi­g – des Jazz ihr Publikum zu begeistern vermögen. (elce) pcarinthis­chersommer. at

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