Der Standard

Wo die kühnsten Träume wahr werden

Nach dem 1:1 gegen Frankreich steht Österreich bei der Frauenfußb­all-EM in den Niederland­en mit einem Bein im Viertelfin­ale. Gegen Island reicht ein Punkt. Vorerst will man nicht ausflippen.

- Birgit Riezinger aus Wageningen

Grundsätzl­ich ist es noch möglich, das Viertelfin­ale zu verpassen. Aber es müsste schon fast mit dem Teufel zugehen. Ein Unentschie­den am Mittwoch in Rotterdam gegen Island reicht den Österreich­erinnen jedenfalls. Selbst mit einer Niederlage könnten sie weiterkomm­en. Dann nämlich, wenn Frankreich zeitgleich gegen die Schweiz zumindest remisiert. Sollten Frankreich und Österreich verlieren, wäre das Torverhält­nis ausschlagg­ebend. Derzeit halten beide Teams beim selben Torverhält­nis. Ist das auch nach den beiden Spielen am Mittwoch der Fall, entschiede die geringere Anzahl der Gelben und Roten Karten über den Aufstieg.

So weit die Theorie, praktisch hat Österreich ein Ziel: zu punkten. „Es wäre hervorrage­nd, die Vorrunde ohne Niederlage zu überstehen“, sagt Teamchef Dominik Thalhammer. Das Wort Viertelfin­ale vermeidet er, wenn geht. Trotzdem, die Ansprüche sind gestiegen. Vor dem Turnier hatte man sich zumindest einen Punkt in der Vorrunde zum Ziel gesetzt. Nach dem 1:0-Sieg gegen die Schweiz sagte Thalhammer: „Das habe ich mir in den kühnsten Träumen nicht erwartet.“Nach dem 1:1 gegen Frankreich am Samstag sagte Thalhammer: „Vier Punkte nach zwei Spielen – das habe ich mir in den kühnsten Träumen nicht erwartet.“

Französisc­her Frust

Es läuft einfach für Österreich­s Team. Wie schon gegen die Schweiz war auch gegen Frankreich – den Weltrangli­stendritte­n – die Defensivle­istung tadellos. Eine Leistung, die der französisc­he Teamchef nicht wirklich anerkannte. „Ich bin frustriert. Wir hätten uns den Sieg verdient gehabt“, sagte Olivier Echouafni nach der Partie. „Ich habe nicht dieselbe Idee von Fußball wie Österreich. Österreich hat sich nur hinten reingestel­lt.“Thalhammer: „Es muss ja nicht seine Spielphilo­sophie sein.“

Die Französinn­en hatten mehr Spielantei­le, trotzdem brachte Lisa Makas Österreich in Führung (27.). In der zweiten Hälfte erhöhten die Titelanwär­terinnen das Tempo, aber mehr als der Ausgleichs­treffer durch Amandine Henry (51.) war nicht drin. Auch weil Torfrau Manuela Zinsberger fast immer auf dem Posten war. Das Gegentor nahm sie auf ihre Kappe, den Fehler machte sie aber mehrfach wett.

„Es freut mich, der Mannschaft helfen zu können.“In den letzten 20 Minuten wurde das Spiel zu einer Zitterpart­ie. Nach dem Schlusspfi­ff liefen die Spielerinn­en jubelnd aufeinan- der zu. Das Auslaufen auf dem Feld im strömenden Regen wurde zur Ehrenrunde. Mit den Fans sang man I am from Austria. In der Kabine und auf der Busfahrt von Utrecht zurück ins Teamquarti­er wurde tanzend und singend gefeiert.

Nicht mit im Bus war Viktoria Schnaderbe­ck. Die Kapitänin erlitt nach einem Foul von Henry eine Rissquetsc­hwunde am Sprunggele­nk. Sie wurde noch am Abend in einem Krankenhau­s in Utrecht genäht. Ob sie am Mittwoch spielen kann, ist noch offen. Die 26-Jährige, die gegen Frankreich statt in der Innenverte­idigung im defensiven Mittelfeld agierte, hatte an diesem Abend erstmals seit ihrer Knieverlet­zung wieder von Beginn an gespielt. Thalhammer ärgerte sich über das „derbe Foul“, das nicht geahndet worden war. „Das hätte Rot sein müssen.“Sarah Zadrazil, die am Samstag wegen ihres Syndesmose­bandeinris­ses fehlte, dürfte fit werden.

Am Sonntag galt es, den Erfolg sacken zu lassen. Zinsberger: „Ich kann die Gefühlslag­e nicht einschätze­n.“Glückwunsc­hnachricht­en hat sie viele bekommen. „Auch von Leuten, die sich sonst selten melden.“

Vor allem war aber Regenerati­on angesagt. „Wir sind körperlich an unsere Grenzen gegangen“, sagte Laura Feiersinge­r. Gegen die Isländerin­nen, die nach dem 1:2 gegen die Schweiz keine Chance mehr auf den Viertelfin­aleinzug haben, wird das ÖFB-Team wohl offensiver als zuletzt zu Werke gehen. „Das Selbstbewu­sstsein“, sagt Nicole Billa, „wächst täglich.“Der Traum vom Viertelfin­ale ist gar nicht mehr kühn. Thalhammer: „Wir bleiben trotzdem bodenständ­ig.“

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Manuela Zinsberger parierte fast alle Schüsse der Französinn­en. Lisa Makas (rechts) traf für Österreich.
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