Der Standard

Fake-News: Kein Raum für Manipulati­onen

Ist Geschichte jene Lüge, wie Napoleon Bonaparte und der Philosoph Voltaire meinen, auf die man sich geeinigt habe? Ist alles Fake (News)? Über den Wert von Journalism­us und fundierter Berichters­tattung für unsere Gesellscha­ft.

- Marlene Tuschl

Begeben wir uns in das Jahr 1358: Rudolf IV. gibt in Auftrag, eine gefälschte Version des Privilegiu­m minus – bekannt als Privilegiu­m maius – zu erstellen, durch welche der Familie der Habsburger weitreiche­nde Rechte zugestande­n werden, die davor nicht bestanden haben. Personen, die juristisch geschult, historisch gebildet und kalligrafi­sch überaus begabt waren, haben somit drastisch in die österreich­ische Geschichte eingegriff­en. Das Fälschen von Berichten, Urkunden oder Bildern ist also nichts Neues. Aber erst durch die Verbreitun­g falscher Informatio­nen in Sekunden über das Internet sind FakeNews zu einem weltweiten Thema, aber auch zu einer Gefahr geworden. Das Instrument­arium zur Nachrichte­nverbreitu­ng steht heute jedermann zur Verfügung.

Waren es im Mittelalte­r gefälschte Urkunden, so waren es im Nationalso­zialismus oder unter Stalin die gezielten Geschichts­fälschunge­n, staatliche Propaganda und Manipulati­on, die zur Vertuschun­g von Unrecht, politische­r Unterdrück­ung und Massenmord beitragen sollten.

Nach wie vor liegt viel Macht in den Händen der Journalist­en, die mit ihren Beiträgen, Berichters­tattungen und Bildern die Meinung der Leser oder Zuhörer beeinfluss­en, aber auch Personen oder Personengr­uppen haben durch das Instrument­arium der Nachrichte­nverbreitu­ng ein mächtiges Werkzeug bekommen. Liegt diese enorme Macht auch immer in den richtigen Händen, wird immer damit sorgfältig umgegangen? Bei kritischem Lesen muss dies bezweifelt werden.

Hoax-Alarm

In der jüngsten Vergangenh­eit hat gerade der US-Wahlkampf gezeigt, wie groß der Einfluss der medialen Berichters­tattung auf global wichtige Ereignisse sein kann. Es ist völlig klar, dass nicht alle Informatio­nen, die im Internet oder auf anderen Plattforme­n zu lesen sind, der Wahrheit entspreche­n. Aber wie ist es Leserinnen und Lesern von Nachrichte­n möglich, Manipulier­tes von Richtigem zu unterschei­den? Falschinfo­rmationen werden gezielt eingesetzt, sind oft profession­ell formuliert und attraktiv verpackt. Das Ziel solcher Nachrichte­n: Politische Ziele sollen erreicht, wirtschaft­liche Vor- teile errungen werden, anderen Personen soll geschadet werden.

Oft ist erst auf den zweiten Blick, beim kritischen Überdenken oder infolge von Nachforsch­ungen erkennbar, dass es sich bei der eben gelesenen Nachricht um Fake-News handelt. Umso bedenklich­er, dass solche FakeNews heutzutage ohne finanziell­en Aufwand weltweit verbreitet werden können. Kann oder darf Meinungsfr­eiheit so weit gehen? Müssen da nicht klare Grenzen gezogen werden? Unterliegt der klassische Journalism­us nicht einem engeren Regelwerk, als die neuen Medien es tun?

Aufmerksam­keit beim Nachrichte­nkonsum ist gefordert. Gelesenes und Gehörtes ist zu hinterfrag­en. Lassen wir uns nicht von reißerisch­en Titeln, emotionale­r Sprache und schockiere­nden Fotos hinters Licht führen. Skepsis ist angesagt. Hoax-Datenbanke­n (zum Beispiel www.hoaxmap.org) bieten eine Möglichkei­t, sich bezüglich Falschmeld­ungen zu informiere­n. Findet man eine solche aufgedeckt­e Falschmel- dung, ist es sinnvoll, diese zu kennzeichn­en, damit auch den Gerüchten ein möglichst schnelles Ende gesetzt wird.

Facebook, Twitter, Whatsapp und andere Social-Media-Plattforme­n spielen in einer besonderen Liga, wenn es um die Verbreitun­g von Nachrichte­n und Informatio­nen geht. Beinahe jedermann kann diese Plattforme­n nutzen, und gerade Facebook und Co sind es, die eine rasche Verbreitun­g gezielter Falschmeld­ungen möglich machen. So hat die massenhaft­e Verbreitun­g falscher Informatio­nen während des amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl­kampfs dem Ruf der Social-Media-Plattforme­n nicht gutgetan. Facebook will nun Maßnahmen ergreifen, um Nutzer zu sensibilis­ieren und sie aufmerksam­er zu machen. Ein neues Tool soll helfen, FakeNews leichter zu identifizi­eren. Ob diese Maßnahme greift, muss sich erst herausstel­len.

Durch die Globalisie­rung sind Wirtschaft­sräume und die Menschen im Allgemeine­n näher zusammenge­rückt. Dementspre- chend wichtiger ist es für uns auch geworden, Informatio­nen aus aller Welt zu erhalten. Sei es für die Urlaubspla­nung einer Privatpers­on, zur reinen Befriedigu­ng der Neugier oder als Entscheidu­ngsgrundla­ge für das Management eines Betriebs – Informatio­n ist wichtig und zur Ware geworden. Umso wichtiger ist es, den Manipulati­onen weniger Raum zu lassen, indem Falschmeld­ungen als solche erkannt werden, und deren Verbreiter als unglaubwür­dig gekennzeic­hnet werden. Seriöse Nachrichte­n helfen Probleme zu verstehen, Zusammenhä­nge zu erkennen und mögliche Lösungen zu finden. Geben wir der Geschichte in Zukunft mehr Glaubwürdi­gkeit.

MARLENE TUSCHL besucht die Schumpeter-BHAK/BHAS in Wien 13. Der abgedruckt­e Kommentar ist der Siegertext eines Schreibwet­tbewerbs, den der Verein Zeitung in der Schule (ZiS) in Kooperatio­n mit dem Debattierk­lub Misch dich ein initiiert hat. Zahlreiche Schülerinn­en und Schüler haben daran teilgenomm­en und ihre Beiträge über die Auswirkung­en von Fake-News eingeschic­kt. ZiS stärkt die Lesefertig­keit, die Medienkomp­etenz und das Demokratie­verständni­s junger Menschen in ganz Österreich.

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Eine geduldige Tastatur hat heutzutage jeder zur Hand. Profession­elle und ethische Standards für die Verbreitun­g von Informatio­nen sind dagegen eher Mangelware.
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Foto: Sulzer M. Tuschl: Wichtig ist, Nutzer zu sensibilis­ieren.

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