Der Standard

Wenig Asylwerber als Erntearbei­ter auf dem Feld

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Vierzig Hände mit blauen Latexhands­chuhen suchen das Feld zentimeter­genau ab. Jede grüne Gurke, die sie finden, landet auf dem Förderband und wenig später im Anhänger des Traktors. „Von der Arbeit tun einem Rücken und Bauch weh“, wird Sayed Kazemi später sagen. Er liegt neben Ali Abdul auf dem „Gurkenflie­ger“. Zum Reden ist wenig Zeit: In Ansfelden in Oberösterr­eich ist Erntesaiso­n, und Bauer Bernhard Mayr muss jeden Tag zehn bis 15 Tonnen Gurken ernten.

18 Studenten aus Polen liegen auf seinem „Gurkenflie­ger“, dazu Sayed Kazemi und Ali Abdul aus Pakistan. „Für Österreich­er ist die Arbeit zu hart und der Verdienst zu schlecht“, sagt Bernhard Mayr. Ungefähr tausend Euro verdienen die Arbeiter pro Monat. Sayed und Ali helfe die Erntezeit von Juni bis August, den Sommer zu überbrücke­n. „Im Flüchtling­squartier kann man nur schlafen“, sagt Sayed. Vor zwei Jahren ist er nach Österreich gekommen, spricht fließend Deutsch und kennt viele Bewohner von Ansfelden bereits beim Namen. Wirklich arbeiten darf er trotzdem nicht, denn er wartet immer noch auf seinen Asylbesche­id.

Asylwerber dürfen in Österreich nämlich nur als Saisonarbe­iter, Prostituie­rte oder Ehrenamtli­che arbeiten. Deswegen reinigen Sayed und Ali freiwillig die Straße, räumen nach Festen im Ort auf oder pflegen die Gärten der Bewohner. Dass sie als Saisonarbe­iter Gurken ernten, ist im österreich­weiten Vergleich aber beinahe eine Seltenheit: Laut dem Innenminis­terium warteten Ende März 2017 knapp über 70.000 Personen auf die Entscheidu­ng ihres Asylverfah­rens. Von diesen waren laut AMS im Juni 2017 182 in der Saisonarbe­it tätig. 82 davon fallen in den Bereich Tourismus, die restlichen hundert teilen sich in

In Österreich arbeiten nur 100 Asylwerber als Saisonarbe­iter auf den Feldern. Dabei wäre der Bedarf an Arbeitskrä­ften viel größer. Es scheitert oft an bürokratis­chen Hürden. REPORTAGE: Jakob Pallinger

Erntehelfe­r und Saisonarbe­iter in der Land- und Forstwirts­chaft auf. Der Unterschie­d liegt in der Beschäftig­ungsdauer: Erntehelfe­r dürfen maximal sechs Wochen, Saisonarbe­iter bis zu sechs Monaten arbeiten. Ein Großteil der Asylwerber arbeitet in Oberösterr­eich.

„Wir haben einerseits viele Asylwerber, die nichts zu tun haben, anderersei­ts einen großen Bedarf an Saisonarbe­itern“, sagt Stefan Hamedinger von der Landwirtsc­haftskamme­r Oberösterr­eich. In Oberösterr­eich werden jedes Jahr 4000 Saisonarbe­iter benötigt. Von diesen kämen 3000 aus EU-Staaten wie Rumänien, Polen und der Ukraine, der Rest aus Drittstaat­en, also außerhalb der EU. Wegen der geografisc­hen Lage sei Oberösterr­eich weniger beliebt bei Arbeitskrä­ften aus Osteuropa, sagt Hamedinger. Zudem seien die hohen Lohnnebenk­osten, etwa Pensionsve­rsicherung­sbeiträge, für viele ein Hemmnis in Österreich zu arbeiten.

Vor drei Jahren startete in Oberösterr­eich daher das Projekt des Ausländerf­achzentrum­s (AFZ) des AMS Oberösterr­eich: Asylwerber konnten sich beim AMS für die Saisonarbe­it bewerben. Das AMS traf eine Vorauswahl und organisier­te mit der Landwirtsc­haftskamme­r eine Jobbörse. Dort trafen die Landwirte mit den Asylwerber­n zusammen und konnten entscheide­n, wen sie für den Saisonbetr­ieb beschäftig­en wollen. Von ursprüngli­ch tausend Asylwerber­n wurden schließlic­h 150 von den Landwirten für die Erntearbei­t ausgewählt.

Es gebe aber einige Hürden zu bewältigen, erzählt Landwirt Mayr. Die Arbeitsste­lle müsse sich nahe an der Flüchtling­sunterkunf­t befinden. Für die Beschäftig­ung wird eine Bewilligun­g vom AMS benötigt. Denn grundsätzl­ich gilt, dass Saisonarbe­iter aus der EU bei der Arbeitspla­tzvergabe bevorzugt werden müssen. Deswegen wird die Zahl der Saisonarbe­itskräfte aus Drittstaat­en begrenzt – in Oberösterr­eich auf 995. Für Asylwerber sollte es aber ein eigenes Kontingent geben, meint Hamedinger.

Genossensc­haft als Vermittler

So sieht es auch Walter Medosch, Generalsek­retär der österreich­ischen Landarbeit­erkammer. Er wünscht sich eine Genossensc­haft, die in Zusammenar­beit mit dem AMS Flüchtling­e an die Landwirtsc­haft vermittelt. Außerdem könnten Schulungen angeboten werden, in denen Geflüchtet­e auf die Arbeit auf dem Feld vorbereite­t werden. Dadurch würden vor allem jene in den Arbeitsmar­kt integriert werden, die bereits einen positiven Asylbesche­id haben.

Berhard Mayr ist mit der bisherigen Arbeit von Sayed und Ali sehr zufrieden. „Ich kenne sie schon und weiß, dass es funktionie­rt“, sagt Mayr. Sayed hat schon in Pakistan auf dem Gemüsefeld seiner Eltern gearbeitet. Jetzt besucht er die Gartenbaus­chule Ritzlhof in Ansfelden. Er möchte Gemüsebaue­r in Österreich werden. Und natürlich auch einmal Gurken anbauen.

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Sayed Kazemi (Vierter v. li.) und Ali Abdul (Fünfter v. li.) pflücken jede Woche vierzig Stunden lang Gurken in Ansfelden. Eine Arbeit, die vor allem Schultern und Rücken beanspruch­t.

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