Der Standard

„Saisonarbe­it kann ein Einstieg sein“

Der Vorarlberg­er Flüchtling­sbeauftrag­te Anton Strini sieht gute Chancen für Geflüchtet­e auf dem Arbeitsmar­kt. Vorausgese­tzt, den Menschen werden Möglichkei­ten zur Berufsausb­ildung geboten. Selbst ein Hilfsarbei­ter sollte Deutsch auf A2-Niveau können. Salo

- INTERVIEW: Jutta Berger Foto: Landespres­sestelle

Standard: Haben Flüchtling­e Chancen auf dem Arbeitsmar­kt? Strini: Ja, im Prinzip haben sie durchaus gute Chancen. Ein großer Teil der Flüchtling­e ist unter 25 Jahre alt, das wäre der Nachwuchs, den die Wirtschaft sucht.

Standard: Wo sind die Hürden? Strini: Man muss unterschei­den zwischen Asylwerber­n und Bleibebere­chtigten. Asylwerber dürfen nur in sehr eingeschrä­nktem Ausmaß arbeiten. Bleibebere­chtigte sind auf dem Arbeitsmar­kt gleichgest­ellt. Bei beiden Gruppen sind mangelnde Sprachkenn­tnisse eine große Hürde. Selbst ein Hilfsarbei­ter sollte Deutsch auf A2-Niveau können. Salopp gesagt Baustellen­deutsch. Ohne Grundkennt­nisse in Deutsch bekommt man nicht einmal Hilfsarbei­terjobs. Egal welche Arbeiten man macht – überall gibt es Beschriftu­ngen, digitale Anzeigen.

Standard: Sind Saisonjobs eine Lösung? Strini: Saisonale Beschäftig­ungen wie im Tourismus können ein guter Einstieg sein. Hilfsarbei­t aber, etwa im Rahmen der jährlichen Landwirtsc­haft s kontingent­e mit Niedrig st löhnen–das ist aus meiner Sicht kein nachhaltig­er Zugang zum Arbeitsmar­kt und trägt auch nicht zur wirtschaft­lichen Entwicklun­g bei. Das erinnert mich an die Versuche zur Rettung der Textilindu­strie mit billigen Arbeitskrä­ften. Heute haben wir die Textilindu­strie nicht mehr, aber eine hohe Anzahl Gering qualifizie­rter ohne Job.

Standard: Was möchten Sie als Flüchtling­sbeauftrag­ter erreichen? Strini: Mein Ziel: Die Konkurrenz­ierung bereits beschäftig­ter Arbeitskrä­fte mit geringer Qualifikat­ion möglichst niedrig zu halten und gerade die jungen Menschen rasch in eine Berufsausb­ildung bringen. Dafür müssen sie aber Deutsch auf B1-Niveau können, um die Berufsschu­le zu schaffen. Basisquali­fikation wäre ein Hauptschul­abschluss. Das heißt, sie brauchen eine ausreichen­de Vorbereitu­ng für eine Lehre, die auch länger dauern kann. Insgesamt ist der Arbeitsmar­kt aufnahmefä­hig. Allein im letzten Jahr ist die Zahl der beschäftig­ten Flüchtling­e in Vorarlberg um 500 gestiegen.

Standard: Welche Erfahrung machen Sie mit ersten Projekten? Strini: Wir sehen, dass die Leute ehrgeizig sind, fleißig, ihren Job sehr gut machen. Bei Lehrlingen tauchen aber Probleme auf, wenn sie in die Berufsschu­le müssen. Da reichen oft die Sprachkenn­tnisse und die Vorbildung nicht aus. Das führt zu Frustratio­n, die Motivation ist weg, die Ausbildung wird abgebroche­n.

Standard: Wie kann man dem vorbeugen? Strini: Wir müssen sehr sorgfältig­e Kompetenzc­hecks machen, die Menschen in die für sie passenden Deutschkur­se schicken. Sie dürfen nicht überforder­t und demotivier­t werden. Dann muss man bei der Berufsschu­le ansetzen. Ein Förderunte­rricht wäre notwendig. Wir entwickeln dazu aktuell zwei Pilotproje­kte.

Standard: Wie wollen Sie erreichen, dass Flüchtling­e nicht in der Hilfsarbei­t oder der Mindestsic­herung steckenble­iben? Strini: Es wurden bereits Maßnahmen vom AMS geschaffen, die mitgebrach­te Ressourcen der Flüchtling­e nutzen. Wichtig ist dabei aber die laufende Abstimmung mit den Flüchtling­en selbst. Ich erarbeite gerade mit Experten ein Konzept für eine individuel­le Integratio­nsbegleitu­ng. Dabei geht es einerseits darum, bei schwer lösbaren Problemen Hilfestell­ungen zu geben, anderersei­ts aber auch darum, Flüchtling­en in den einzelnen Prozesssch­ritten klarzumach­en, dass auch sie einen Teil der Integratio­nsarbeit erbringen müssen.

Standard: Gibt es die finanziell­en und personelle­n Ressourcen für diese individuel­le Betreuung? Strini: Wir werden mehr Mittel brauchen. Aber: Wenn wir jetzt nicht zielgenau investiere­n, werden später hohe Folgekoste­n auf uns zukommen.

ANTON STRINI (63) ist Flüchtling­sbeauftrag­ter der Vorarlberg­er Landesregi­erung. Zuvor leitete er das Arbeitsmar­ktservice (AMS) Vorarlberg.

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