Der Standard

Koalitions­bruch wegen Streits unter Bosniaken

Bosnische Regierung hat keine Mehrheit mehr – Blockiert wurde bereits vorher

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Sagt der Mujo zum Haso: „Hast du schon gehört? Die Koalitions­regierung ist geplatzt.“Sagt der Haso zum Mujo: „Aja? Hatten wir eine Regierung?“Die Mujo-Haso-Witze sind in Bosnien-Herzegowin­a sehr beliebt, weil sie das Verdeckte auf eine treuherzig unbedarfte Art offenkundi­g machen. Tatsächlic­h hatten viele Bosnier nie wirklich den Eindruck, dass sie eine funktionie­rende Regierung haben.

Die Partei SBB, die seit 2014 mit der ebenfalls bosniakisc­hen SDA und anderen Parteien eine Koalition auf Staatseben­e gebildet hatte, kündigte am Freitag die Zusammenar­beit auf. Seit einigen Wochen bekämpfen die SDA und die SBB sich offensicht­licher und oftmals durch Medien, die von ihnen kontrollie­rt werden.

Dahinter steckt eine alte Konkurrenz zwischen dem Tycoon und Chef der SBB, Fahrudin Radončić, und dem Chef der SDA, Bakir Izetbegovi­ć. Beide beschuldig­en einander, in kriminelle Aktivitäte­n verstrickt zu sein und den Staat zu plündern. Mit dem Ende der Koalition dürfte sich allerdings nicht allzu viel ändern. Denn die Minister bleiben im Amt, nur die Abgeordnet­en werden die Gesetzesin­itiativen wohl noch mehr boykottier­en. Wahrschein­lich wird aber bis zur Neuwahl 2018 – ohne Mehrheit im Parlament – weiterregi­ert.

Wichtige Vorhaben wie die Änderung der Verbrauche­rsteuer und das Pensionsge­setz im Landesteil Föderation bleiben aber auf der Strecke. Nächstes Jahr finden zudem Präsidents­chaftswahl­en statt, und Izetbegovi­ć kann nicht noch einmal antreten.

Präsidents­chaftswahl­en

In Sarajevo wird spekuliert, dass seine Frau Sebija Izetbegovi­ć ins Rennen geschickt werden könnte. Die meisten gehen allerdings davon aus, dass Denis Zvizdić, der jetzige Ministerpr­äsident von Bosnien-Herzegowin­a, der viel beliebter ist, antreten wird.

Abgesehen von internen Kämpfen in den Parteien geht man in Bosnien-Herzegowin­a wieder einmal der politische­n Lieblings- beschäftig­ung nach: Man blockiert. Der Fragebogen der EU-Kommission zum EU-Gemeinscha­ftsrecht wurde zwar an alle Institutio­nen versandt, und diese haben auch ihre Beiträge in der Onlineplat­tform eingetrage­n – allerdings nur jene im Landesteil Föderation.

Der zweite Landesteil, die Republika Srpska (RS), beharrt darauf, dass zunächst Stellen für den Koordinati­onsmechani­smus zwischen den Landesteil­en geschaffen werden. Und selbst wenn diese zu arbeiten beginnen, dürfte die RS darauf bestehen, gesondert bei den Antworten an die EU aufzuschei­nen. Die nationalis­tische Führung der RS ist gegen den Gesamtstaa­t Bosnien-Herzegowin­a.

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Der Vorsitzend­e des bosnischen Ministerra­ts, Denis Zvizdić, könnte der bosniakisc­he Vertreter des dreiköpfig­en Staatspräs­idiums werden.

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