Der Standard

Droh- SMS in transdanub­ischem Beziehungs­wirrwarr

Eine 51-Jährige soll die Schwester ihres Exfreunds mit dem Umbringen bedroht haben. Die Geschichte entpuppt sich im Prozess um gefährlich­e Drohung als komplexer, als sie zunächst scheint. Denn auch die Bedrohte pflegte einen mehr als rauen Umgangston.

- Michael Möseneder

Wien – Manche Prozesse sind eigentlich todtraurig­e Geschichte­n, die dennoch ziemlich amüsant sind. Wie das Verfahren gegen Astrid R., das Richterin Claudia Zöllner führt. Die Angeklagte ist 51 Jahre alt, Pensionist­in und leidet an Alkoholabh­ängigkeit. Was sie zum zweiten Mal vor Gericht bringt. Sie soll die Schwester ihres Exfreunds in einer SMS mit dem Umbringen bedroht haben.

R. erscheint mit Verspätung – statt zum Landesgeri­cht ist sie zum Justizpala­st gefahren, wie sie sich aufgeregt entschuldi­gt. „Dort habe ich meine Berufungsv­erhandlung gehabt“, erklärt sie. Die Angeklagte ist nämlich vorbestraf­t: Wegen Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung und gefährlich­er Drohung wurde sie im November zu fünf Monaten bedingt verurteilt – für die Begehung einer Straftat im Zustand voller Berauschun­g. Das Opfer damals: Felix K., der Exfreund.

„Dann erzählen Sie einmal über Ihr Verhältnis zum Felix“, muntert Zöllner Frau R. auf. „Wir waren zweieinhal­b Jahre zusammen. Bis vor zwei Jahren. Danach haben wir uns immer wieder gesehen.“Ein beziehungs­stiftendes Element dürfte der Rausch gewesen sein. „Ist der Alkohol ein Problem?“, fragt Zöllner. „Ja.“– „Warum machen Sie dann keine Therapie?“– „Ich war voriges Jahr eh drei Monate in Kalksburg. Aber wenn ich feiere, dann kommt das irgendwie durch.“Seit einem halben Jahr habe sie aber keinen Rausch mehr gehabt, beteuert sie.

Am Tattag, dem 4. Dezember, traf sie sich mit Herrn K. in dessen Haus. Das liegt in Transdanub­ien, genauer: in Wien-Donaustadt, wo alle Beteiligte­n wohnen. „Wir wollten einen Wiederstar­t probieren. Leider“, erzählt die Angeklagte. „Ich bin irgendwann zu Mittag gekommen, er war schon betrunken und hat in Unterhosen aufgemacht. Er hat eine Lieferung von einem Winzer gehabt und gesagt, da müssen wir uns durchkoste­n.“

Die Kostprobe uferte aus. „Um sechs Uhr waren wir dann schon ziemlich daneben“, gibt Frau R. zu. Während des Gelages entwickelt­e sich, wie schon öfters, ein unfreundli­cher SMS-Verkehr zwischen der Angeklagte­n und der Schwester des Freunds. Warum, ist irgendwie nicht ganz klar. Die beiden Damen haben sich nur zweimal im Leben persönlich gesehen. Frau R. betont, die Schwester habe ihr vor Monaten unmotivier­t eine beleidigen­de Botschaft geschickt.

Die als Drohung zur Anzeige gebrachte Nachricht ist, gelinde gesagt, kryptisch: „Ruhe sonst kommen ICH MIT m kurzen geladenen VORBEI absolut letzte Warnung“. „Es tut mir leid, ich war betrunken“, bedauert die Angeklagte. Sie habe es aber nicht wirklich ernst gemeint. „Ich komme aus Kärnten, wissen S’ eh, Villacher Fasching“, bietet sie als Erklärung an.

Dann tritt die Schwester als Zeugin auf. „Vor einigen Jahren war mein Bruder kurz mit der Dame liiert“, drückt sich die tief gebräunte Lehrerin gewählt aus. „Ab etwa 2014 habe ich eigenartig­e SMS von ihr bekommen. Telefonisc­h wurde mir sogar unterstell­t, dass ich mit meinem Bruder Geschlecht­sverkehr habe!“, empört sich die 55-Jährige.

Schriftlic­h kann sich die Zeugin durchaus unfeiner ausdrücken, wie sich aus den gesicherte­n SMS ergibt. Zum Beispiel so: „Ausserdem gehst du uns dauernd am orsch du besoffene hure. Kannst eh nur saufen und die beine breit machen. Was anderes kannst du eh nicht.“Oder, prägnanter: „Geh scheißen du sau.“Beziehungs­weise durchaus bedrohlich: „Pass auf wie du sprichst. Sonst siehst du bald das gras von unten wachsen du Parasit. Was du kriegst ist eine in deine blöde Fresse c du blöde Sau.“Zur letzten Nachricht will die Pädagogin keine Aussage machen, um sich nicht selbst belas- ten. Sie beteuert dafür, sich durch die angeklagte Nachricht massiv bedroht gefühlt zu haben.

Felix K. kommt gut gelaunt und erzählt, er habe sich vor drei Jahren von Frau R. getrennt. Was diese zum wiederholt­en Mal zu einem Zwischenru­f samt folgender Ermahnung durch die Richterin treibt. Die Angeklagte sei aber hartnäckig geblieben, behauptet er. Sogar eine Stalking-Anzeige hat er heuer bereits erstattet. Zöllner kommt das seltsam vor. „Aber am 4. Dezember war sie bei Ihnen“, hält sie dem Zeugen vor. „Also haben Sie ja schon noch Kontakt gehabt.“– „Könnte ich sagen, ja.“– „Also ja oder nein?“– „Ja.“– „Also haben Sie sie schon auch gesehen?“– „Ab und zu.“

Angebliche­s Stalking-Opfer

Die Aussage zerbröselt ziemlich, als die Angeklagte Richterin und Staatsanwä­ltin ihr Mobiltelef­on mit von K. gesandten Botschafte­n zeigt. Derer gibt es bis Ende Mai viele, die Inhalte sind für ein angebliche­s Stalking-Opfer erstaunlic­h. „Wann kann ich dich wieder anständig lecken und ficken?“, lautet eine im März formuliert­e Terminanfr­age. Er muss auch zugeben, seiner Schwester nichts vom Kontakt mit der Angeklagte­n erzählt zu haben.

Da die ganze Beziehung zwischen den drei Beteiligte­n zu unüberscha­ubar ist, fällt die Richterin einen rechtskräf­tigen Freispruch. „Ich kann nicht feststelle­n, ob Ihre Drohung ernst gemeint war“, begründet sie. „Diese ganze Situation ist sicher nicht leicht für Sie. Er hat Ihnen Hoffnungen gemacht und seiner Schwester sicher nicht erzählt, dass er weiter mit Ihnen Kontakt hat“, ist Zöllner überzeugt.

Sie hat auch noch einen Ratschlag für Frau R.: „Nehmen Sie keinen Kontakt mehr zu denen auf. Und keine SMS!“Weinend bedankt sich die Angeklagte: „Sie sind die Erste, die den Felix durchschau­t hat. Ich glaube, der ist schizophre­n!“, vermutet sie. Zöllner hat eine weniger pathologis­che Erklärung: „Er ist nicht schizophre­n. Er ist ein blöder Mann.“

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Zwei Frauen schickten sich über Monate unfreundli­che Nachrichte­n. Die hier wiedergege­bene stammt aber vom Opfer, einer Lehrerin.

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