Hohe Preise, schlechte Technik
Autokartell: Verbraucherschützer fordern Musterklage
Wien – Noch ist die Causa weder vollständig auf dem Tisch noch aufgeklärt. Das Ausmaß eines Schadens kann also nicht einmal annähernd definiert oder abgeschätzt werden. Dennoch erwarten Rechtsexperten, dass es eine Flut an Klagen geben wird, wenn den deutschen Autobauern eine Kartellbildung nachgewiesen wird. „Die Frage ist, ob Autos durch mögliche Kartellabsprachen auf einem schlechteren technischen Stand verkauft wurden, als sie hätten sein können“, erklärt Christian Kersting von der Universität Düsseldorf. Vor Gericht wäre das zwar schwer zu beweisen, ein möglicher Ansatz ist es dennoch. Klaus Müller, Chef des deutschen Bundesverbands der Verbraucherzentralen, erwartet jedenfalls eine Klagewelle. Er geht von zehntausenden Verfahren aus, in denen Autokäufer Schadenersatz für überteuerte Fahrzeuge verlangen könnten. Denn wegen der im Raum stehenden Absprachen der Autobauer hätten Kunden einen „möglicherweise viel zu hohen Preis“für ihre Autos gezahlt, sagte Müller zur Süddeutschen Zeitung.
Die Verbraucherzentrale drängt nun darauf, per Gesetz eine Musterklage zu ermöglichen, damit mutmaßlich betrogene Kunden nicht alle einzeln vor Gericht gehen müssen, sondern sich in einem Verfahren zusammentun können. Das gehöre zu den ersten Aufgaben der künftigen Regierung nach der Bundestagswahl im Sep- tember, sagte Müller. Denn die Unternehmen hätten mit diesen Absprachen den Wettbewerb gezielt außer Kraft gesetzt.
Betroffen – und daher mögliche Kläger – sind auch Lieferanten der Autobauer, denn wenn die fünf deutschen Hersteller sich darauf verständigen, nur bei einem Unternehmen einzukaufen, haben andere Zulieferbetriebe keine Chancen auf Aufträge.
Schon allein in der Abgasaffäre von VW sind tausende Klagen in Europa und den USA anhängig. Anders als in Europa zahlt VW seinen US-Kunden hohe Entschädigungen und kauft Dieselfahrzeuge zurück. Konsumentenschützer versuchen, zumindest ähnliche Angebote für Kunden aus Österreich zu erreichen. So bietet etwa der VKI Fahrzeughaltern der Marken VW, Audi, Seat und Škoda an, sich kostenlos an einer Sammelaktion zur Prüfung allfälliger Ansprüche gegen VW zu beteiligen. Auch der Verein Cobin Claims hat eine Sammelaktion laufen.
„Fahrzeughalter sollten rasch aktiv werden“, sagt Oliver Jaindl von Cobin Claims. Denn die Verjährungsfrist tritt näher. Diese beträgt bei Gewährleistungsansprüchen zwei und bei Schadenersatzforderungen drei Jahre. Wer eine Rechtschutzversicherung hat, sollte laut Jaindl prüfen, ob diese ein mögliches Verfahren deckt. Dann kann ein Anwalt mit der Prüfung beauftragt werden. Wer keine Deckung durch die Rechtsschutzversicherung hat, sollte sich Sammelaktionen anschließen, solange sie noch laufen. (bpf)