Heimflug im Doppelsturz mit Ikaros
Der Schweizer „Poeta doctus“Felix Philipp Ingold wird heute 75 Jahre alt
Wien – Vom Schweizer Dichter Felix Philipp Ingold stammt die auf den ersten Blick ein wenig entmutigende Feststellung, dass dort, wo „Geist und Hirn“aneinandergeraten, keine Wahrheit mehr blühe. Es ist der derselbe Autor, der in seinen verblüffenden Gedichten den „Versprecher“in den Rang eines „Versprechens“erhebt. Der den Unglücksflieger Ikaros anruft, nur um ihm nachzusagen, dass er bereits „totgestürzt zur Welt“komme.
Sein blaues Wunder erlebt der Zerschellte mithin dort, „wo seine Heimat ist“, auf dem Boden. Weshalb er in Ingolds Augen als „ein ausgemachter Wedernoch“anzusehen ist. Erst in einem solchen Zwischenhalt kommt den Begriffen wieder ihre Bedeutung als weltschöpferische zu. Ingold ist ein Meister paradoxalen Sprechens.
Ingold kann dem Ikaros dessen Unglück guten Gewissens nachsagen. Er hat es im Voraus gewusst. Der Dichter, gebürtiger Basler, hat nicht nur an der Pariser Sorbonne studiert, sondern sich früh als Slawist einen untadeligen Namen gemacht. Wer sich ernsthaft mit der russischen Moderne befassen möchte, er wird um eine Beschäftigung mit Ingolds kundigen Einlassungen nicht herumkommen.
Er wird in dem schlanken, ernsten Mann mit der charakteristischen Baskenmütze vor allem aber einen der wesentlichen deutschsprachigen Lyriker unserer Tage erkennen. Der weiß, dass er der Sprache wohl bändigende Zügel überwerfen kann, sie jedoch als vorgefundene immer auch in ihrer Fremdheit betrachten muss. In der Wortkunst, sagt Ingold, würde Sprache erst zur Gänze „augen-, ohrenfällig“. Zugleich sei die Wortkunst der Alltagsrede keinesfalls entgegengesetzt. Was folgt, ist eigentlich ein kleiner philosophischer Skandal, eine Ermächtigung im Geiste der Romantik. Nur im künstlerischen Text, postuliert Ingold, kommt „die Sprache, kraft ihrer Künstlichkeit, der Natur am nächsten.“
Und so stellt Ingold Fragen wie die folgende: „Wie hiess (sic) doch der Hund, der bei Mozarts nicht gerade pompöser Bestattung das Bellen hatte?“Ingolds unzählige Prosa- und Lyrikbände sind unter anderem bei Hanser, Rainer, Matthes & Seitz und zuletzt bei Ritter ( Niemals keine Nachtmusik, 2017) erschienen. Nichts bellt hier. Alles fließt vernunftschön in einem Parlando gedanklicher Arbeit, in der der poetischen Mehrfachbelichtung von Laut und Schrift höchste Beweiskraft zukommt. Mithin wird hier in vielstrophigen Gedichten bewiesen, dass „die Spur vor dem Schritt war“. Felix Philipp Ingold, der in Zürich und Romainmôtier lebende Erbauer poetischer Flugapparate, feiert heute, Dienstag, seinen 75. Geburtstag. Felix Philipp Ingold, „Niemals keine Nachtmusik. Gedichte“. Buch & CD. € 17,90 / 104 Seiten. Ritter, Klagenfurt/ Graz 2017 te, Hartmut Bitomsky, Éric Rohmer, Chantal Akerman waren Filmemacher, die er immer wieder zeigte. Eine besondere Nähe pflegte er zu Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, für die er dreimal als Regieassistent tätig war. Auch mit Astrid Ofner arbeitete er an Filmen, sie beriet ihn wiederum bei der Viennale.
1994 kuratierte Hurch das Projekt „Hundert Jahre Kino“, 1997 wurde er zum Nachfolger von Alexanders Horwath als Viennale-Direktor bestimmt. Das bald angespannte Verhältnis zum späteren Filmmuseum-Chef geriet zur Langzeitfehde. Hurch suchte immer wieder die Kontroverse und spitzte seine Argumente gern hämisch zu. „Wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man einen gewissen Unterhaltungswert haben“, sagte er einmal.
Seine Auseinandersetzungen mit heimischen Regiegrößen wie Michael Haneke und Ulrich Seidl muteten jedoch bisweilen entbehrlich an, ging es auf gut österreichische Art doch oft nur um persönliche Eitelkeiten. Nachdem Pläne für die Neugestaltung des Filmarchivs im Augarten scheiterten, übernahm Hurch immer wieder die Rolle einer Schutzmacht für diese Institution. Zuletzt sorgte das von Kulturminister Thomas Drozda längst zugesagte Film Preservation Center für einigen Hickhack hinter den Kulissen.
In solcher Hinsicht war Hurch auch ein Managertyp der altmodischen Sorte, ein Taktiker mit Finten. Sein Charme und sein Witz hatten, auf wienerische Art, mehrere Ziele. Er kannte den Kulturbetrieb und wusste Leute für seine Sache einzunehmen. Abgesehen davon konnte man mit ihm weiterhin lange Diskussionen über Filme führen, die er von da hinten aus zu lieben oder hassen gelernt hatte. Am Sonntag ist Hans Hurch in Rom an Herzversagen gestorben.