Für das Kino, gegen den Konsens
Zwanzig Jahre leitete Hans Hurch die Viennale, das größte heimische Filmfestival. Unbeirrt hielt er an einem Ort für eigensinniges Kino fest, bewies Mut zu Irritationen und provozierte mit Grabenkämpfen. Am Sonntag ist er an Herzversagen gestorben.
Wien – Wollte man ihn auf internationalen Filmfestivals ausfindig machen, war natürlich das Kino der beste Tipp. Nicht in einer bestimmten Reihe, sondern ganz hinten, meist stehend, das Publikum vor sich. Dort hatte er den Film im Blick, aber zugleich auch die Reaktionen, was er vielleicht nicht gleich zugegeben hätte. Es war ihm wichtig, das Kino als kollektive Erfahrung zu verstehen und zu beobachten, wie ein Film aufgenommen wird. Persönlich war ihm die Unbestechlichkeit eines Autors wohl noch wichtiger. Filme, wie sie nur Menschen machen können, die der Realität mit Ehrfurcht begegnen.
Als Viennale-Direktor hat Hans Hurch oft betont, dass er das ganze Programm des Festivals zu verantworten hat und deshalb jeden Film selbst absegnet. Gewiss war das ein Modell, das etwas überhöht dargestellt wurde, bis hin zum Überdruss, aber insgesamt traf es doch zu. Und viele dieser Sorte gibt es nicht mehr: Während andere Filmfestivals ihre Programme anglichen, weil sie sich an einem bestimmten Konsensgeschmack, an kommerziellen Erwägungen ausrichteten, blieb die Viennale im Kern eigensinnig und unverwechselbar. Während Hurchs zwanzig Jahre dauernder Leitung wurde paradoxerweise gerade diese Unzeitgemäßheit zur eigentlichen Stärke.
Wenn man jetzt, nach der Nachricht des plötzlichen Todes von Hans Hurch, vor allem von der Viennale schreibt, hat das den Grund, dass er diesen Job wie kaum ein anderer Kulturmanager den seinigen lebte. Hurch hat den Viennale-Direktor geradezu emblematisch gemacht. Schon äußerlich blieb er, stets mit Vollbart und in Schwarz gekleidet, eine Erscheinung, die sich bewusst von Geschmeidigkeit abgrenzen wollte.
Prediger und Polemiker
Die Viennale selbst eröffnete Hurch, der gern „Missionar“geworden wäre, mit seinen „Predigten“, die sich mit an Nestroy geschulter Bissigkeit politischem Zeitgeschehen annahmen, polemisch und streitlustig. Mit der Zeit wurden sie immer selbstironischer, 2016 ging es um seinen Look, woran man im Grund erkennen konnte, dass Hurch sich schon selbst als Inventar der Wiener Kulturszene betrachtete. Dieses Jahr sollte die Leitung neu ausgeschrieben werden.
Geboren 1952 in Schärding, studierte er Kunstgeschichte und Archäologie in Wien. Der laut Eigendefinition „faule Hund“hat dann seinen Gefallen am Schreiben gefunden und schärfte als Filmkritiker beim Falter seine Vorlieben für ein modernes Autorenkino, das die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs als Auftrag zur ästhetischen Erneuerung verstand. Die Nähe zu den Wellen der 1960er- und 1970er-Jahre hat Hurch geprägt: Jean-Luc Godard, Roberto Rossellini, Jacques Rivet-