Der Standard

Keine Einigung mit Seerettern

Neues Treffen von NGOs und italienisc­hen Beamten nötig

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Rom/Wien – Gerade einmal vier DIN-A4-Seiten ist er lang, doch sorgt er für gehörigen Wirbel: der Verhaltens­kodex, den die italienisc­he Regierung gemeinsam mit der EU-Kommission und der EUGrenzsch­utzagentur Frontex erstellt hat. Die insgesamt zwölf Punkte sollen vorgeben, wie sich im Mittelmeer tätige NGOs bei Flüchtling­srettungen zu verhalten haben, sonst droht ihnen eine Sperre der italienisc­hen Häfen.

Bei einem Treffen zwischen italienisc­hen Regierungs­beamten und Hilfsorgan­isationen hat es am Dienstag zunächst keine Einigung gegeben. Für Freitag sei ein neues Treffen in Rom angesetzt worden, bis dahin könnten die Organisati­onen Vorschläge zur Verbesseru­ng und Ergänzung des Regelkatal­ogs einreichen.

Der Verhaltens­kodex ist eine Reaktion auf Vorwürfe europäisch­er Politiker und Frontex, wonach NGOs angeblich mit Schleppern zusammenar­beiten beziehungs­weise zumindest deren Arbeit erleichter­n. Er sieht unter anderem ein Verbot für Rettungssc­hiffe vor, in libysche Hoheitsgew­ässer einzudring­en, sofern es nicht ein Notfall ist. Sie dürfen ihre Schiffstra­nsponder nicht ausschalte­n, um jederzeit geortet werden zu können. Außerdem soll italienisc­hen Polizisten der Zugang an Bord erlaubt sein.

Im Vorfeld des Treffens waren die Positionen der insgesamt neun eingeladen­en NGOs unterschie­dlich. Ärzte ohne Grenzen und MOAS etwa wollten sich auf STANDARD- Anfrage nicht äußern. Sea-Eye begrüßte den Kodex. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagte deren Sprecher Hans-Peter Buschheuer, der aber noch einige Punkte genauer besprechen wollte. Die deutsche NGO Sea-Watch hingegen lehnt den Verhaltens­kodex ab. „Deshalb werde man das Papier auch nicht unterzeich­nen.

Ebenfalls am Dienstag haben die EU-Staaten ihre Marinemiss­ion Sophia vor Libyen bis Ende 2018 verlängert. Ziel ist es, das Geschäftsm­odell der Schlepper zu zerschlage­n. Die italienisc­he Regierung hatte zuletzt die Verlängeru­ng blockiert, weil Rom mehr Unterstütz­ung aus der EU bei der Versorgung von Bootsflüch­tlingen verlangte. Seit Juni 2015 gehen sechs EU-Schiffe im Rahmen der Mission Sophia gegen Schlepper vor. Die EU-Schiffe dürfen auf hoher See verdächtig­e Boote stoppen, durchsuche­n und beschlagna­hmen. Zudem retten sie Flüchtling­e aus Seenot, laut EU bisher rund 40.000 Menschen. (ksh)

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Foto: Reuters / Yannis Behrakis Das Schiff Golfo Azzurro der NGO Pro Activa Open Arms.

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