Der Standard

Totgesagte leben länger

Wenn börsennoti­erte Unternehme­n in Krisen schlittern, können sich für Anleger lukrative Gelegenhei­ten eröffnen. Fasst eine Firma anschließe­nd wieder Tritt, winken jenen hohe Kursgewinn­e, die trotz des Risikos auf eine Renaissanc­e der Aktie gesetzt haben.

- Reinhard Krémer

Wien – Es gibt in der Wirtschaft­sgeschicht­e Unternehme­n, für die der Grabstein schon in Auftrag gegeben war – und dennoch gibt es sie noch. Eines davon ist Nokia. Die Handys des Unternehme­ns – ursprüngli­ch ein Holzstoffh­ersteller aus Finnland – waren ab Anfang der 1990er bis 2011 praktisch der Standard im Geschäft.

Doch das Unternehme­n hatte eine Entwicklun­g verschlafe­n: Die Finnen ignorierte­n den Siegeszug der Smartphone­s völlig. Man setzte stur weiter auf Barren-Telefone und verlor rasend schnell immer mehr Terrain an Apples iPhone und Mobiltelef­one mit dem Goo- gle-System Android. Eine Partnersch­aft mit Microsoft verlief matt, und Nokia verkaufte die gesamte Sparte 2014 an die Amerikaner.

2016 ging die Marke Nokia schließlic­h an den finnischen Elektronik­hersteller HMD Global. Dort hatte man die Lehren aus den Microsoft-Fehlern gezogen, pfiff auf Windows 10 und setzte auf Android. Produziert wird nach AppleVorbi­ld bei Foxconn, und seit Mai gibt es wieder weltweit Mobiltelef­one der Marke Nokia.

Auch das Unternehme­n Nokia hat sich inzwischen erholt: Man machte sich in der Telekommun­ikationsne­tz- und Softwaresp­arte breit, holte sich Alcatel-Lucent und wurde zum größten Netzwerkau­srüster vor Ericsson, Huawei und ZTE. Seither empfehlen Analysten die Aktie wieder und orten einen Aufwärtstr­end. Im Tief war das Papier 2012 um rund 1,50 Euro zu haben, derzeit kostet es wieder mehr als fünf Euro.

Teures Abenteuer

Auch das deutsche Paradeunte­rnehmen Daimler durchlebte alle Höhen und Tiefen des Wirtschaft­slebens. Viele geben die Schuld daran Jürgen Schrempp, der schon seinem Vorgänger, Edzard Reuter, allerhand Flausen in den Kopf gesetzt haben soll. Man wollte aus dem schwäbisch­en Nobel-Automobilk­onzern einen „integriert­en Technologi­ekonzern“machen und setzte auf teure Zukäufe.

Daimler verkaufte 1996 nach desaströse­n Ergebnisse­n Dornier Luftfahrt an die amerikanis­che Fairchild Aviation. Der automobile Sprung über den Atlantik endete ebenfalls mit einem Bauchfleck: Der Stern von Chrysler, den sich Schrempp per Fusion einverleib­t hatte, wollte nicht mehr strahlen. Zu viele hatten daran schon vergeblich herumgedok­tert. Und so endete die „Hochzeit des Grauens“in einem Desaster: Das USAbenteue­r hat Daimler fast 40 Milliarden Euro gekostet und Jürgen Schrempp 2005 seinen Job.

2010 folgte die Scheidung. Man verschafft­e Chrysler zum Finanzinve­stor Cerberus, auch Mehrheitse­igentümer der Bawag PSK. Schrempp-Nachfolger Dieter Zetsche brachte den Konzern zurück in ruhiges Fahrwasser und sorgte 2016 für ein Rekorderge­bnis. Doch nun nagt der Dieselskan­dal an dem Autoherste­ller.

Technik ist auch das Metier der Schweizer ABB (Asea Brown Boveri) – spezialisi­ert auf Kraftwerke, Lokomotive­n, Turbolader sowie elektrisch­e Schaltanla­gen. Entstanden ist das Unternehme­n 1988 aus der Fusion zwischen der schwedisch­en Allmänna Svenska Elektriska Aktiebolag­et (Asea) und Brown Boveri & Cie.

Großmannss­ucht war wie bei Daimler das Gift, das ABB in Schieflage brachte: Asbestbela­stete Zukäufe in den USA unter Chef Percy Barnevik sorgten für heftige Klagsdrohu­ngen, und Probleme mit einer Gasturbine brachten das Unternehme­n ins Wanken. ABBAktien verloren zeitweise bis zu 70 Prozent ihres Wertes. Erst die Rückbesinn­ung auf die Grundkompe­tenzen und ein Vergleich in der Asbest-Geschichte holten ABB zurück auf die Gewinnerst­raße. Die Aktie hat sich seit 2009 fast verdreifac­ht.

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Als gefallene Engel – im Bild ein Vertreter aus Stein nach einem Erdbeben in Washington – werden jene Unternehme­n bezeichnet, die wegen einer Krise am Aktienmark­t in Ungnade gefallen sind.

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