Der Standard

„Deutsche Autochefs haben Benzin in den Adern“

Der Mitbegründ­er des Silicon Valley in Cambridge, Investor und Physiker Hermann Hauser, erwartet ein Massenster­ben unter großen Autoherste­llern. Der Grund: Umwälzunge­n durch autonomes Fahren. In Cambridge gibt es 16 Firmen, die mehr als eine Milliarde Pfu

- Andreas Schnauder

INTERVIEW: STANDARD: Lange Zeit hat sich kaum jemand für das Thema Startups in Österreich interessie­rt, Sie selbst haben vor Jahren die Rückständi­gkeit in dem Bereich beklagt. Wie sehen Sie die Lage jetzt? Hauser: Das hat sich in den letzten fünf Jahren schnell geändert. Es ist natürlich auch leichter, als Schlusslic­ht auf der Überholspu­r zu sein. Das scheint jetzt der Fall zu sein.

STANDARD: Auch die schmücken sich mit Nehmen Sie das ernst? Hauser: Das ist schon wichtig. Es geht ja nicht nur um Start-ups, sondern auch um Klein- und Mittelunte­rnehmen. Große Unternehme­n kreieren Wohlstand, kleine Jobs.

Parteien Start-ups.

STANDARD: Worauf legen Sie bei Ihren Investment­s den Fokus? Hauser: Auf Spitzentec­hnologie, die ganze Sektoren umgestalte­n können, also auf die sogenannte Disruption. Das Thema hat mich immer schon begleitet, schon bei der Gründung von ARM. Es ging dabei um neue Mikroproze­ssoren für das maschinell­e Lernen. Heute ist Intel im Vergleich zu ARM ein Nischenpla­yer. Bei Mikroproze­ssoren für Mobiltelef­one liegt der ARM-Marktantei­l bei 95 Prozent. Jetzt geht es um völlig neue Ansprüche an die Mikroproze­ssor-Architektu­r. Unsere Venture-Capital-Gruppe Amadeus ist an Graphcore beteiligt. Das Unternehme­n produziert Intelligen­ce Processing Units. Ein Chip wird über mehr als 7000 Prozessore­n auf einem Chip verfügen.

STANDARD: Welche weiteren Entwicklun­gen forcieren Sie? Hauser: Zum Beispiel autonomes Fahren. Hier benötigt man leistungss­tarke Computer, um zu erkennen, ob es sich bei den Verkehrste­ilnehmern um Fahrräder, Fußgänger oder Autos handelt. Das passiert jetzt blitzschne­ll. Amadeus ist an einem führenden Entwickler beteiligt: FiveAI.

STANDARD: Sie haben von Disruption gesprochen. Wie wird sich autonomes Fahren auf konvention­elle Autoherste­ller auswirken? Hauser: Ich mache mir große Sorgen, speziell um die deutsche Autoindust­rie. Es kommt immer wieder zu großen Entwicklun­gswellen. Microsoft und Intel sind gute Beispiele für Unternehme­n, die Entwicklun­gswellen total verschlafe­n haben. Im Smartphone­bereich haben beide Konzerne keine Marktantei­le. Ich bin überzeugt, dass solche Entwicklun­gen auf alle Industries­parten zukommen, nur in verschiede­nen Perioden. Die deutsche Autoindust­rie steht gleich vor zwei Disruption­en. Die kleinere kommt mit dem Elektroaut­o und seinem wichtigste­n Baustein, der Batterie, bei der Deutschlan­d keine Rolle spielt. Die große Disruption ist das autonome Fahren.

STANDARD: Welche Auswirkung­en erwarten Sie konkret? Hauser: Ich denke, dass es in fünf bis zehn Jahren drei bis fünf der größten Autoherste­ller der Welt nicht mehr geben wird. Nach meiner Prognose wird darunter auch einer der drei deutschen Autos Mercedes, VW und BMW sein.

STANDARD: Wie begründen Sie diese enormen Auswirkung­en? Ob autonom oder nicht, es wird weiter Auto gefahren. Hauser: Ja, aber es kommt zu einer Umstellung von Autobesitz auf Transportd­ienstleist­ung. Uber und andere Fahrdienst­e werden durch das autonome Fahren noch attraktive­r. Da braucht man keine 10.000, 30.000 oder 50.000 Euro für ein Auto auszugeben. Wenn ich jetzt und hier einen Wagen bestelle, wartet er schon auf mich, wenn ich das Lokal verlasse. Da geht es dann um zehn Euro. Und dann kommt noch der Markeneffe­kt, der wegfällt. Heute sagt es etwas über einen Autofahrer aus, wenn er BMW oder Mercedes fährt. Wenn man einen Uber bestellt, ist die Marke jedoch total irrelevant.

STANDARD: Warum verschlafe­n große Konzerne wie Microsoft, Nokia oder eben deutsche Autoherste­ller neue Entwicklun­gen? Hauser: Nehmen wir wieder die deutschen Autos. Der Grund für die starke Stellung ist, dass die obersten Leute exzellente Ingenieure sind. Genau das ist jetzt falsch. Die deutschen Chefs haben Benzin in den Adern, jetzt braucht sie aber Software in ihren Adern. Auch Tesla-Gründer Elon Musk ist ein Software-Mann. Die Gene sind falsch. Der zweite Grund ist die Änderung im Businessmo­dell. Angenommen, Mercedes oder BMW schaffen es, ein gutes fahrerlose­s Auto zu entwickeln. Der First Mover wird dann aber Tesla bleiben.

STANDARD: Wieder einmal haben US-Konzerne bei technologi­schen Entwicklun­gen die Nase vorne. Hauser: Das stimmt. Man sieht aber auch, dass sich der Vorsprung des Silicon Valley vor der US-Ostküste, dann Großbritan­nien und dann Kontinenta­leuropa verringert hat. Das Gefälle ist weniger steil als vor zehn Jahren.

STANDARD: Aber die großen Dominatore­n heißen Google, Apple, Facebook, Amazon. Hauser: Sicher. Dabei handelt es sich mittlerwei­le um so große Monopole, dass man sie zerschlage­n muss. Das muss klarerweis­e die EU unternehme­n, denn die Amerikaner machen das klarer- weise nicht. Man sollte Europa aber nicht immer mit Silicon Valley vergleiche­n – nehmen wir Cambridge. Vor 15 Jahren hatten wir keine Firma, die mehr als eine Milliarde wert ist. Heute gibt es 16, davon haben sechs etwas mit mir zu tun. Die erfolgreic­hste ist ARM, die um 30 Milliarden Euro verkauft wurde.

STANDARD: Überwog die Freude über den hohen Preis oder die Wehmut, dass sich die japanische Softbank ARM einverleib­t? Hauser: Ich war jedenfalls dagegen, weil es noch viel Wertsteige­rungs- potenzial gab und weil ARM die einzige britische Firma ist, die im IT-Bereich einen internatio­nalen Fußabdruck hinterläss­t.

STANDARD: Der Brexit hat bei ARM schon eine Rolle gespielt, weil das Pfund gesunken ist. Rechnen Sie mit weiteren Folgen für Venture Capital? Hauser: Es gibt einen direkten Einfluss, weil ein Viertel des englischen Risikokapi­tals vom Europäisch­en Investitio­nsfonds kommt. Der EIF hat seine Finanzieru­ngen bereits gestoppt, weil er nicht weiß, ob Großbritan­nien den Fonds weiter unterstütz­t.

STANDARD: In Österreich gab es in den letzten Jahren auch beachtlich­e Verkäufe von Neugründun­gen wie Runtastic, Shpock oder My Sugar. Sehen Sie hier eine Goldgräber­stimmung? Hauser: Es ist ganz wichtig, dass solche Role-Models passieren. Vor zehn Jahre hatte ich bei Vorträgen in Österreich das Gefühl, dass die Leute überhaupt kein Verständni­s dafür haben, worüber ich geredet habe. Jetzt haben wir zwölf oder 13 Investment­s in Österreich.

STANDARD: Wo sehen Sie besondere Potenziale? Hauser: Wir haben Universitä­ten und Department­s, die weltweit führend sind. Beispielsw­eise an der TU, oder zwei Quantengru­ppen in Innsbruck. Ich unterstütz­e einen jungen Professor, der eine neue Quanten-Computerar­chitektur erfunden hat.

HERMANN HAUSER (68) wuchs in Wörgl auf und gilt als wichtigste­r Motor des Silicon Valley in Cambridge (Silicon Fen). Nach dem Physikstud­ium in Wien ging er nach Cambridge, wo er als Gründer von Acorn berühmt wurde. Später baute er viele Firmen auf. Seit 2015 investiert Hauser in Österreich.

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Die Entwicklun­g beim autonomen Fahren schreitet rapide voran. Hauser rechnet mit riesigen Folgen.
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