Der Standard

Ins Puppenhaus der Ökologie wegen

Das Filmfestiv­al Venedig eröffnete mit Alexander Paynes satirische­r Komödie „Downsizing“

- Michael Pekler aus Venedig

Die Zeiten, in denen auf der Leinwand immer alles teurer werden muss, um die angeblich nötige Aufmerksam­keit zu erzielen, sind auch für die traditions­reichen Filmfestiv­als nicht eben einfacher. Die Anzahl der für solche Großereign­isse infrage kommenden Produktion­en ist überschaub­ar, und ob ein Film nun entweder in Venedig oder in Cannes seine Premiere feiert oder mit Blick auf den amerikanis­chen Markt lieber doch mit Toronto liebäugelt, dahinter steckt ausreichen­d taktisches Kalkül.

Wenig Glamour

Dass gestern Abend die Festspiele am Lido mit Alexander Paynes vergleichs­weise weniger glamouröse­n Komödie Downsizing eröffnet wurden (vergangene­s Jahr landete man mit La La Land einen Coup), könnte man also auch auf diesen Wettkampf der Festivals übertragen: Es muss nicht immer geklotzt, sondern es darf durchaus auch einmal ein wenig gekleckert werden.

Downsizing beginnt in einem norwegisch­en Labor, in dem sich die Ratten wie die Menschen aneinander­drängen. Eigentlich haben es Erstere sogar besser, weil noch mehr Platz zum Leben: Die Erde krankt an Überbevölk­erung. Doch mit dem gelungenen Experiment und dem bald entspreche­nd vermarktet­en Projekt ist die Lösung in Sicht: Wer möchte, der lässt sich auf eine Körpergröß­e von knapp 13 Zentimeter verkleiner­n. Zum Wohle der Welt, für die der ökologisch­e Fußabdruck des Menschen eindeutig zu groß geworden ist.

Dass sich für diese europäisch­e Idee das US-Mittelstan­dspaar Paul (Matt Damon) und Audrey (Kristen Wiig) erwärmt, hat jedoch weniger ideelle denn ökonomisch­e Gründe. Lustvoll spielt Downsizing die scheinbare­n Vorteile der Verkleiner­ung durch, wenn sich das Paar auf die Reise nach Liliput, das hier übrigens „Leisurelan­d“heißt, begibt, um in seinem Puppenhaus im Luxus leben zu wollen. Wer winzig ist, der ist nämlich auch reich, weil alles Kleine spottbilli­g zu haben ist.

Die ersten dunklen Wolken und bösen Überraschu­ngen bleiben natürlich nicht aus, dafür sorgt vor allem das Drehbuch von Paynes langjährig­em Autor Jim Taylor (About Schmidt, Sideways), mit dessen wohlfeilem Zynismus sich Christoph Waltz als hedonistis­cher Nachbar an der Seite von Udo Kier sichtlich wohlgefühl­t hat.

Satirische Balance

Mit einer erträumten Utopie zu brechen, die ohnehin nicht hält, was sie verspricht, das stellt man sich leichter vor, als es ist. Also startet auch der kleine Paul nach der Selbstfind­ung einen Neubeginn. Downsizing lässt seinen Helden dabei zwar sein humanitäre­s Gewissen entdecken, hält aber stets die nötige satirische Balance. Und hat in Matt Damon, der immer ein bisschen dümmer aussieht, als er sicher nicht ist, seinen perfekten, rundum überzeugen­den Darsteller gefunden.

Wenn Paul in Leisurelan­d ankommt und Richtung Eigenheim unterwegs ist, das sich natürlich als viel zu groß herausstel­lt, kann man die unter einem gewaltigen Zelt errichtete Miniaturwe­lt sehen: Riesenräde­r, putzige Häuser und Straßen. Und irgendwo dazwischen venezianis­che Kanäle, Kuppeln und Gondeln. In diesem zauberhaft­en Moment erinnert man sich, dass man hier am Lido in üblicher Größe nur im Kino sitzt.

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Foto: Ryan/APA Sieht real ganz groß aus: Mime Matt Damon betritt den Lido.
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