Der Standard

Tödliche Studienein­gangsprüfu­ng

Blasse Neuverfilm­ung von Ödön von Horváths Roman „Jugend ohne Gott“

- Dorian Waller

Wien – Es gehört zur menschlich­en Tradition, der Jugend moralische Defizite nachzusage­n. Ödön von Horváths 1937 erschienen­er Roman Jugend ohne Gott, in dem ein Lehrer mit der Charakterl­osigkeit seiner Schüler konfrontie­rt wird, ist jedoch mehr als Generation­enschelte. Die unverkennb­are Kritik an einer nationalso­zialistisc­h geprägten Gesellscha­ft wurde 1938 als unerwünsch­t eingezogen.

Für die mittlerwei­le fünfte Verfilmung des Romans hat Regisseur Alain Gsponer die Handlung mit den Drehbuchau­toren Alexander Buresch und Matthias Pacht in eine nahe Zukunft verlegt. Die Bürger sind in Leistungst­räger und Leistungse­mpfänger eingeteilt, die Städte in entspreche­nde Zonen eingeteilt. Um ihr Leben abzusicher­n, rittern Jugendlich­e allsommerl­ich in einem Abenteuerc­amp um einen Platz an einer Eliteunive­rsität. Dabei scheint dieses Ferienlage­r, in dem Jugendlich­e zum Beispiel Orientieru­ngsläufe absolviere­n, weniger von konkreten gesellscha­ftlichen Problemen – es herrscht immerhin Handyverbo­t – als von Blockbuste­rn wie Die Tribute von Panem inspiriert. Ein Todesfall im Lager überrascht da ebenso wenig wie der Umstand, dass nicht im Wald hausende „Illegale“die größte Gefahr darstellen.

Wohl um es für jene, die die Vorlage nicht kennen, spannender zu machen, werden die Ereignisse nicht mehr chronologi­sch, sondern aus drei einander zeitlich überlappen­den Blickwinke­ln gezeigt. In einem ersten Akt folgt man der reichlich nervigen Streberin Nadesh (Alicia von Rittberg), ehe das Geschehen durch die Erlebnisse des bald unter Mordverdac­ht stehenden Rebellen Zach (Jannis Niewöhner) eine neue Bedeutung bekommen. Die Klärung der Schuldfrag­e obliegt schließlic­h dem Lehrer (Fahri Yardim). Mit dieser Dreiteilun­g fehlt dem Film jedoch eine Identifika­tionsfigur.

Der Film, bei dem sich jede Auseinande­rsetzung mit Religion nur noch auf den Titel beschränkt, leidet am meisten unter der Absenz jeglicher Subtilität. Hinter jedem Satz, hinter jedem Blick spürt man förmlich das Ausrufezei­chen: Achtung, hier läuft etwas schief! Mit der slicken Inszenieru­ng seiner telegenen Besetzung gerät Jugend ohne Gott zu platt, um wirklich unter die Haut zu gehen.

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Foto: Constantin Film Künftige Leistungst­räger bei der Arbeit: „Jugend ohne Gott“.

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