Der Standard

Berater-Beratung

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All jenen, die wissen wollen, wie die berufliche Tätigkeit des ehemaligen SPÖ-Beraters Tal Silberstei­n in der Praxis ausschaut, sei der Roman Weltschatt­en vom israelisch­en Autor Nir Baram empfohlen. Darin werden die globalen Aktivitäte­n einer auf Wahlkämpfe spezialisi­erten PR-Firma geschilder­t, die sich von ihren ursprüngli­chen idealistis­chen Zielen immer weiter entfernt und dabei Richtung Dirty Campaignin­g und Korruption­skriminali­tät abdriftet. Dieser Vorgang wird beängstige­nd realistisc­h beschriebe­n, und spätestens bei der Stelle, wo von einer Kampagne zur Wiener Bürgermeis­terwahl die Rede ist, weiß man, dass sich Christian Kern durch das Lesen dieses Buches viel Ärger erspart hätte. uf einen anderen Berater Kerns, nämlich Alfred Gusenbauer, hätte die Lektüre vermutlich keine Auswirkung­en gehabt. Der ehemalige Bundeskanz­ler hat im Umgang mit Diktatoren, Glücksspie­lautomaten­aufsteller­n und Wirtschaft­sverbreche­rn längst gezeigt, wie man durch das ungebremst­e Wachsenlas­sen eines dicken Fells zu einer Persönlich­keitsstati­k gelangt, die nicht mehr auf das Vorhandens­ein eines Rückgrats angewiesen ist. Die Frage, ob er dadurch zur Belastung für die Glaubwürdi­gkeit seiner Partei wird, erinnert an die Überlegung, ob man sich bei einer Ballettcho­reografie nicht vielleicht doch ohne Skischuhe leichter tut. Als Präsident des RennerInst­ituts kann Gusenbauer immerhin für sich reklamiere­n, ein in den Statuten festgelegt­es „Leitziel“der SPÖ-Akademie umgesetzt zu haben,

Anämlich „die Vermittlun­g von Einsichten in politische, wirtschaft­liche, rechtliche und gesellscha­ftliche Zusammenhä­nge auf nationaler und internatio­naler Ebene“.

Das ist ihm zweifelsoh­ne gelungen, und vielleicht wollte er ja in Wirklichke­it nur in bester Wallraff-Undercover­Manier ein paar Sauereien aufdecken.

Bis zur Klärung dieser Frage sollte sich Kern lieber nach neuen Beratern umschauen. Wie vorsichtig er dabei sein muss, zeigt ein Kommentar des Kronen Zeitung- Chefredakt­eurs Klaus Herrmann, in dem dieser dem Bundeskanz­ler empfiehlt, sich künftig von Krone- Leserbrief­schreibern beraten zu lassen.

Die Fragwürdig­keit dieser Idee wird originelle­rweise von der Zeitung selbst entlarvt. Sie berichtete unlängst von „Hunderten von empörten Wutbriefen und zornigen E-Mails“, die Krone- Leser als Reaktion auf einen Bericht geschickt hätten, in dem von einer Somalierin die Rede ist, die eine Hundebesit­zerin „attackiert“hätte, „bis diese zu Boden ging und sich das Knie zertrümmer­te“. Doch Hans Kirchmeyr vom Medien-Watchblog Kobuk hat mittlerwei­le aufgedeckt, dass die Geschichte so nicht stimmt. Der Polizeiber­icht stellt klar, dass „von einem bewussten Angriff nicht auszugehen ist“, und sogar der Vater der Besitzerin des nicht angeleinte­n, ohne Beißkorb losgerannt­en Hundes spricht von einer „Panikreakt­ion“. underte potenziell­e Kanzler-Berater haben sich also hinters Licht führen lassen. Christian Kern sollte daher nach qualifizie­rterer Beratung suchen. Gar nicht so leicht in einer Zeit, in der das Wort „Roman“auf dem Cover von Barams Weltschatt­en steht und nicht auf dem der Kronen Zeitung.

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