Der Standard

Österreich als schöne Bühne

Statt eines Realityche­cks werden im Wahlkampf Realitäten ausgeblend­et

- Alexandra Föderl-Schmid

Österreich ist schön. Das merkt man, wenn man aus dem Urlaub zurückkehr­t oder ihn gleich im Lande verbracht hat – was heuer besonders viele getan haben. Die schönen Berge, die glitzernde­n Seen, das gute Essen und die Festivals allerorts, eine Idylle. Andere mögen Kriege führen, du, glückliche­s Österreich, feiere!

Wenn es anderswo kracht, dann fühlt man sich zu Hause am wohlsten und sichersten. Dieses Bild der Bedrohung von außen wird gerade in diesem Wahlkampf geschürt. Die Flüchtling­e, der Islam sind die Folie, auf die die Ängste vor Abstieg und Verarmung projiziert werden. Dabei ist Österreich das viertreich­ste Land der EU.

Es braucht immer einen Sündenbock, dann kann man sich als Opfer fühlen. Das ist Teil des kollektive­n Gedächtnis­ses und Selbstvers­tändnisses als kleines Land neben einem großen Nachbarn, mit dem man den Vergleich scheut, während man gleichzeit­ig stets anstrebt, „das bessere Deutschlan­d“zu sein. chein und Sein klaffen in Österreich von jeher auseinande­r. Nur nicht genau hinsehen, sich selbst etwas vormachen, es gar nicht wirklich wissen wollen: Darin hat man Übung, die Verdrängun­gskultur ist in Österreich etabliert. Die Deutschlan­d auch von außen aufgezwung­ene Vergangenh­eitsbewält­igung wurde Österreich erspart und bleibt als brauner Bodensatz, der immer wieder zum Vorschein kommt.

Kaum ein Land ist der kritischen Selbstbefr­agung so hartnäckig aus dem Weg gegangen, wie man das hierzuland­e getan hat seit dem Zweiten Weltkrieg. Vor der Auseinande­rsetzung mit der braunen Vergangenh­eit flüchtete man sich in die rosige Zukunft und in eine Konsensdem­okratie, die mit der Sozialpart­nerschaft ihre inzwischen verfassung­srechtlich­e Institutio­nalisierun­g gefunden hat. Aber neben der echten Verfassung gibt es ohnehin die Realverfas­sung – die besser beschreibt, wer wem was zu sagen hat, und, wenn notwendig, auch die Gewaltente­ilung aushebt.

Für einen offenen Schlagabta­usch fehlt der Raum, auch die Diskussion­skultur. Auf dem Wiener Parkett wird zwar der Handkuss gepflegt, es fliegen aber gleichzeit­ig von hinten die Hackln. Auch in diesem Wahlkampf wird nicht mit offenem Visier gekämpft und um die besten Konzepte gerungen, sondern Dirty Campaignin­g betrieben.

SDabei könnte man einen Realityche­ck machen: Wo steht Österreich wirklich in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pensionen etc.? Aber davor scheut man zurück. Dank OECD-Studien weiß man zwar, dass in Österreich im internatio­nalen Vergleich besonders viel für Pensionen aufgewende­t wird. Aber statt zu reformiere­n, legt man vor der Wahl noch 2,2 Prozent drauf – da sind sich die Parteien rasch einig, es geht um die größte Wählergrup­pe.

Dieses Sedativum wird „in Zeiten fokussiert­er Unintellig­enz“, wie der Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl den Wahlkampf genannt hat, beson- ders gerne eingesetzt. Neu ist aber, dass diesmal Politiker antreten, die so tun, als seien sie keine, auch wenn sie sechs Jahre der Regierung angehörten (Sebastian Kurz) oder 31 Jahre im Parlament saßen (Peter Pilz). Das ist Selbstverl­eugnung, die selbst gelernte Österreich­erinnen und Österreich­er staunen macht. Folgericht­ig werden Kandidaten als Quereinste­iger präsentier­t, die man vor allem aus ORF- Seitenblic­ken kennt. Thomas Bernhard kann sich bestätigt fühlen: „Österreich selbst ist nichts als eine Bühne.“Mit diesem Kommentar verabschie­de ich mich von meinen Leserinnen und Lesern.

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